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Beratungsvertrag statt Vorstandsvergütung – und die Zuständigkeit des Aufsichtsrats

Der Abschluss des die Vergütung eines Vorstandsmitglieds betreffenden Vertrags fällt auch dann in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn er von der Gesellschaft nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern einem Dritten abgeschlossen wird und mit dem Dritten eine Vergütung für die Vorstandstätigkeit vereinbart wird. Das gilt auch, wenn ein Vorstandsmitglied nur vorübergehend tätig werden soll.

Die Vorstandsmitglieder, die den Beratungsvertrag mit dem Dritten abgeschlossen haben, haben ihre Pflichten verletzt, weil sie dafür weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugt waren. Ein Vorstandsmitglied verletzt seine Pflichten, wenn es die aktienrechtliche Kompetenzverteilung missachtet (vgl. § 82 Abs. 2 AktG). Für die Entscheidung über die Vergütung der Vorstandsmitglieder und für den Abschluss der die Vergütung betreffenden Verträge ist nach § 84 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 1, § 87§ 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig.

Der Abschluss dieser Verträge fällt auch dann in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn sie von der Gesellschaft nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern einem Dritten abgeschlossen werden und mit diesem eine Vergütung für die Vorstandstätigkeit vereinbart wird. Nur dadurch ist der Gleichlauf von Bestellungs- und Anstellungskompetenz gewährleistet. Unter diese „Drittanstellungsverträge“ fällt auch bei der Bestellung eines vorübergehenden Vorstandsmitglieds, das selbst in einem Vertragsverhältnis zu einem Dritten steht, der Abschluss eines Vertrags über die Vergütung dieses Dritten für die Vermittlung sowie Stellung des Vorstandsmitglieds und für seine Vorstandstätigkeit.

Der Beratervertrag regelt vorliegend die Vergütung dieser Gesellschaft für die Vorstandstätigkeit ihres Geschäftsführers. Die Beratertätigkeit der Unternehmensberatungsgesellschaft sollte nach der ausdrücklichen Regelung des Beratungsvertrages auch Vorstands- und Geschäftsführungsaufgaben umfassen, für die ihr Geschäftsführer zum Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft bestellt war. Für die Beratungsleistungen sollte die Unternehmensberatungsgesellschaft ein Honorar nach Manntagen auf der Grundlage von Tagessätzen erhalten, wobei für ihren Geschäftsführer ein bestimmter Tagessatz vorgesehen war. Dass der Vertrag als Beratervertrag und die zu erbringenden Leistungen der Unternehmensberatungsgesellschaft als Beratungsleistungen bezeichnet waren, nimmt dem Vertrag nicht seinen Charakter als Regelung der Vergütung für die Vorstandstätigkeit des Geschäftsführers der Unternehmensberatungsgesellschaft. Maßgebend ist nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt der Vereinbarung.

An dem Kompetenzverstoß ändert sich auch nichts, weil die Beratungsleistungen auch noch durch andere Mitarbeiter der Unternehmensberatungsgesellschaft erbracht werden sollten, die nicht zu Vorstandsmitgliedern bestellt waren. Der Abschluss von Beratungsverträgen fällt allerdings grundsätzlich in die Zuständigkeit des Vorstands, soweit die Beratungs- oder Managementleistungen durch Mitarbeiter erbracht werden sollen, die nicht Vorstandsmitglieder sein sollen (§ 78 Abs. 1 AktG), sofern nicht aus anderen Gründen die Zuständigkeit des Aufsichtsrats begründet wird. Ob eine Vertragsgestaltung, bei der in einem Vertrag sowohl die Vergütung des Vorstandsmitglieds als auch Verhältnisse der weiteren Mitarbeiter geregelt werden sollen, zu einer gemeinsamen Zuständigkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats führt oder auch in diesem Fall die Kompetenz allein beim Aufsichtsrat liegt, kann hier dahinstehen. In keinem Fall fällt der Abschluss allein in die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands.

Der Geschäftsführer der Unternehmensberatungsgesellschaft hatte als Mitglied des Vorstands der beratenen Aktiengesellschaft darauf hinzuwirken, dass auch seine Vorstandskollegen die Kompetenzordnung achten und ihre Kompetenzen nicht überschreiten. Er handelte beim Abschluss des schriftlichen Beratervertrags zwar nicht selbst auf Seiten der Gesellschaft, sondern schloss ihn für die Unternehmensberatungsgesellschaft als Geschäftsführer ab und enthielt sich bei der Abstimmung im Vorstand der Aktiengesellschaft der Stimme. Vorstandsmitglieder verletzen ihre Pflichten aber nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden oder Kollegialentscheidungen treffen, sondern auch, wenn sie gegen pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder nicht einschreiten.

Problematisch ist für den Bundesgerichtshof auch nicht die Frage des Verschuldens des zum Vorstand bestellten Unternehmensberaters: Von einem Verschulden ist bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung grundsätzlich auszugehen. Mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, die dem verlangten Standard nicht genügen, stellen keinen Entschuldigungsgrund dar. Das gilt erst recht für einen Rechtsirrtum. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann sich nur ausnahmsweise wegen eines Rechtsirrtums entlasten, wenn es sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.

Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann sich nur ausnahmsweise wegen eines Rechtsirrtums entlasten, wenn es sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Insoweit liegen sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast beim Beklagten.


Quelle: BGH über rechtslupe.de
BGH, Urteil vom 28. April 2015 – II ZR 63/14