Wird ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall stritten die Parteien über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 08. bis zum 22.02.2019. Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin, die eine Personalvermittlung betreibt, als kaufmännische Angestellte vom 28.08.2018 bis zum 22.02.2019 mit einer Arbeitszeit von 35 Wochenstunden beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine Vergütung von 11,83 € brutto pro Stunde sowie ein monatliches Fahrgeld in Höhe von 185,00 €. Am 8.02.2019 teilte die Arbeitnehmerin gegenüber einem Mitarbeiter ihres Einsatzbetriebes mit, dass sie nicht zur Arbeit erscheinen werde. Zugleich mit ihrer Kündigung vom 08.02.2019 zum 22.02.2019 reichte die Arbeitnehmerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter bei der Arbeitgeberin eine auf den 8.02.2019 datierte ärztliche Erstbescheinigung über eine voraussichtlich vom 08. bis zum 22.02.2019 bestehende Arbeitsunfähigkeit ein. Die Arbeitgeberin rechnete für die Zeit vom 01. bis zum 7.02.2019 Vergütung einschließlich Fahrgeld ab und zahlte an die Arbeitnehmerin 591, 57 € netto. Für den Zeitraum vom 08. bis zum 22.02.2019 erbrachte die Arbeitgeberin keine Zahlungen.
Mit ihrer Klage hat die Arbeitnehmerin für die Zeit ab dem 8.02.2019 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangt. Ihre Arbeitsunfähigkeit habe sie durch die der Arbeitgeberin vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht nachträglich zugelassenen Revision verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren, die Klage abzuweisen, weiter und erhielt nun vor dem Bundesarbeitsgericht Recht; die Arbeitnehmerin habe für die Zeit vom 08. bis zum 22.02.2019 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, entschied das Bundesarbeitsgericht:
Ein Arbeitnehmer hat nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG.
Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auch auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit iSd. § 292 ZPO mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Aufgrund des normativ vorgegebenen hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt jedoch ein „bloßes Bestreiten“ der Arbeitsunfähigkeit mit Nichtwissen durch den Arbeitgeber nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mit einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen hat. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Der Arbeitgeber ist dabei nicht auf die in § 275 Abs. 1a SGB V aufgeführten Regelbeispiele ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit beschränkt. Hierfür gibt es weder nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung, der in der Bekämpfung eines Missbrauchs der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall liegt, hinreichende Anhaltspunkte. Diese Bestimmung gibt ihm lediglich ein zusätzliches Instrument zur Erschütterung des Beweiswerts an die Hand, um einem missbräuchlichen Verhalten des Arbeitnehmers begegnen zu können. Den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich auch aus dem eigenen Sachvortrag des Arbeitnehmers oder aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben.
Bei der näheren Bestimmung der Anforderungen an die wechselseitige Darlegungslast der Parteien ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und nur in eingeschränktem Maß in der Lage ist, Indiztatsachen zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzutragen. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten hat das Bundesarbeitsgericht bereits erkannt, dass dem Arbeitgeber, der sich auf eine Fortsetzungserkrankung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG beruft, hinsichtlich der ihn insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast Erleichterungen zuzubilligen sind. Ebenso hat es entschieden, dass in Bezug auf die vom Arbeitgeber im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorzutragenden Indizien für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankheitsursachen angemessen Rechnung zu tragen ist. Da die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine gesetzliche Vermutung oder eine Beweislastumkehr auslöst, dürfen an den Vortrag des Arbeitsgebers, der ihren Beweiswert erschüttern will, keine – unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten – überhöhten Anforderungen gestellt werden. Der Arbeitgeber muss gerade nicht, wie bei einer gesetzlichen Vermutung, Tatsachen darlegen, die dem Beweis des Gegenteils zugänglich sind.
Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage der Bescheinigung bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen. Hierzu ist substantiierter Vortrag z.B. dazu erforderlich, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ärztlich verordnet wurden. Der Arbeitnehmer muss also zumindest laienhaft bezogen auf den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum schildern, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben. Soweit er sich für die Behauptung, aufgrund dieser Einschränkungen arbeitsunfähig gewesen zu sein, auf das Zeugnis der behandelnden Ärzte beruft, ist dieser Beweisantritt nur ausreichend, wenn er die Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbindet. Ob dies konkludent, z.B. durch die Benennung als Zeuge, geschehen kann, erscheint mit Blick auf die höchstpersönliche Natur des Schutzinteresses des Arztgeheimnisses nicht frei von Zweifeln.
Ausgehend hiervon hat die Arbeitnehmerin die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung für die streitgegenständliche Zeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht dargetan.
Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitnehmerin sei im maßgeblichen Klagezeitraum infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert gewesen, beruht auf einer fehlerhaften Würdigung des Beweiswerts der von der Arbeitnehmerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Grundsätzlich ist die Würdigung der Beweise gem. § 286 ZPO dem Tatrichter vorbehalten. Revisionsrechtlich ist nur zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist, ob sie rechtlich möglich ist und ob das Berufungsgericht alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat.
Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Es ist hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.02.2019 davon ausgegangen, dass sich ernsthafte Zweifel an deren Richtigkeit nicht daraus ergäben, dass sie auf der Diagnose „Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ beruhe und sich über einen Zeitraum von zwei Wochen und damit bis zum Kündigungstermin erstrecke. Die Arbeitgeberin habe keine konkreten Umstände aufgezeigt, weshalb eine solche Diagnose generell oder jedenfalls vorliegend die Krankschreibung auch mit der konkreten Dauer nicht rechtfertigen könne. Sie habe lediglich „ins Blaue“ hinein behauptet, eine medizinisch begründbare Prognose für eine vierzehntägige Arbeitsunfähigkeit könne nicht vorgelegen haben. Abgesehen davon, dass sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einen Zeitraum von 15 Tagen erstreckte, hat das Landesarbeitsgericht damit die Anforderungen an den arbeitgeberseitigen Vortrag zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überspannt und zugleich einen von der Arbeitgeberin eingewandten und sich bereits aus der Bescheinigung selbst ergebenden wesentlichen Umstand nicht ausreichend berücksichtigt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht genügend gewürdigt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.02.2019, die zugleich mit der Kündigung vom 08.02.2019 bei der Arbeitgeberin eingereicht wurde, passgenau die nach dieser Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum 22.02.2019 abdeckte. Das Landesarbeitsgericht hat sich zwar mit der Diagnose befasst, die dem Arbeitgeber üblicherweise gar nicht bekannt sein wird, die zeitliche Koinzidenz aber außer Acht gelassen.
Das Berufungsurteil unterliegt deshalb der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es nicht. Da die maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind und ergänzender Sachvortrag hierzu nicht zu erwarten ist, kann das Bundesarbeitsgericht selbst entscheiden. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Aufgrund der zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist bestehen ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit.
In der Folge trägt die Arbeitnehmerin (wieder) die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 3 Abs. 1 EFZG. Es wäre an ihr gewesen, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine in der streitgegenständlichen Zeit bestehende Erkrankung zulassen. Hierzu reicht ihr vom Landesarbeitsgericht festgestellter Vortrag nicht aus. Die Arbeitnehmerin hat lediglich pauschal ausgeführt, es habe ein „psychosomatischer Hintergrund“ bestanden. Sie sei im Einsatzbetrieb einem massiven Mobbing ausgesetzt gewesen, das zu Schlafstörungen und weiteren psychisch-körperlichen Beeinträchtigungen geführt habe und in absehbarer Zeit wahrscheinlich in ein Burn-Out eingemündet wäre. Sie hat aber keine näheren Angaben zur Intensität der von ihr geschilderten Schlafstörungen oder zur Art und vor allem Schwere der weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemacht und auch nicht vorgetragen, dass die Beschwerden im gesamten Klagezeitraum anhielten. Es fehlte damit an substantiiertem Vortrag zu den während des streitgegenständlichen Zeitraums konkret bestehenden gesundheitlichen Beschwerden und Einschränkungen, deren Intensität und ihren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmerin für die geschuldete Tätigkeit. Die Arbeitnehmerin ist damit ihrer primären Darlegungslast zu einer im Klagezeitraum objektiv bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Arbeitnehmerin zwar – folgerichtig – nicht auf die Erschütterung des Beweiswerts der von ihr vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die sich daraus ergebenden Anforderungen an ihren Sachvortrag hingewiesen. Das Bundesarbeitsgericht kann dennoch nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden, weil die Arbeitnehmerin – trotz entsprechender Hinweise während des Revisionsverfahrens – keine ordnungsgemäß begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge erhoben hat. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die Hinweispflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO kann deshalb in der Revision nicht berücksichtigt werden, § 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.
Die Arbeitnehmerin war als Revisionsbeklagte nicht gehindert, wegen einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Landesarbeitsgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht eine auf § 139 Abs. 3 ZPO gestützte Verfahrensrüge („Gegenrüge“) zu erheben.
Sie hat jedoch – trotz entsprechenden Hinweises des Bundesarbeitsgerichts – keine ausreichend begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erhoben.
Besteht ein Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO nicht nachgekommen ist, muss konkret dargelegt werden, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und welche Reaktion auf einen entsprechenden Hinweis erfolgt wäre. Wer die Verletzung des § 139 ZPO durch das Berufungsgericht rügt, muss im Einzelnen vortragen, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Hierzu ist vorzutragen, welcher tatsächliche Vortrag gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen gemacht worden wären. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil kausal war.
Derartiger Vortrag der Arbeitnehmerin ist – auch auf entsprechenden Hinweis – nicht erfolgt. Sie hat sich im Wesentlichen lediglich auf ihren zuvor erfolgten, nicht ausreichenden Vortrag berufen. Konkreten Vortrag zu den während des Zeitraums, für den Entgeltfortzahlung verlangt wird, im Einzelnen bestehenden gesundheitlichen Beschwerden und Einschränkungen, deren Intensität und ihren Auswirkungen auf ihre Arbeitsfähigkeit hat sie weiterhin nicht gehalten.
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Bindungswirkung von in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union von der dort zuständigen Stelle (vgl. Art. 27 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 iVm. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, vormals Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 iVm. Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71) getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und die sich daraus ergebenden Folgen für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Entgeltfortzahlungsprozess zwingen nicht zu einer Änderung der Grundsätze der Überprüfung inländischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Liegen von der im EU-Ausland ansässigen zuständigen Stelle getroffene ärztliche Feststellungen zur Arbeitsunfähigkeit vor, trägt der Arbeitgeber nach Auffassung des Gerichtshofs die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer entgegen diesen Feststellungen nicht arbeitsunfähig krank war. Es reicht dann – anders als bei im Inland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – nicht aus, dass der Arbeitgeber Umstände beweist, die nur zu ernsthaften Zweifeln an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben.
Hierin liegt im Verhältnis zu den oben angewandten Grundsätzen, wie sie für im Inland ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gelten, keine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare Ungleichbehandlung. Eine Bescheinigung nach Art. 27 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 (vormals Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72) enthält Feststellungen, die aufgrund einer von der im EU-Ausland zuständigen Stelle angeordneten oder durchgeführten ärztlichen Kontrolluntersuchung getroffen wurden. Dieser Unterschied zu einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSv. § 5 Abs. 1 EFZG rechtfertigt die unterschiedliche beweisrechtliche Behandlung der Bescheinigungen.
Darüber hinaus erscheint es fraglich, ob überhaupt eine grundrechtlich relevante Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte angenommen werden kann. Denn auch ein im Inland arbeitender EU-Ausländer, der im Inland erkrankt, wird bei Vorlage einer inländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung behandelt wie ein Inländer mit einer entsprechenden Bescheinigung. Ebenso erfährt ein Inländer, wenn er – z.B. im Urlaub – im in der Europäischen Union gelegenen Ausland erkrankt, die gleiche Behandlung wie ein im Inland arbeitender EU-Ausländer, wenn er eine Bescheinigung nach Art. 27 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vorlegt. Die besonderen Beweisschwierigkeiten des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers, mit denen der Gerichtshof der Europäischen Union die Bindung des Arbeitgebers an die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen begründet, hängen mit der Erkrankung im Ausland zusammen. Diese Sachverhalte sind mit Fällen einer Erkrankung im Inland und dort ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vergleichbar.
Quelle: BAG, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21