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Verjährung des Abfindungsanspruchs bei Ausschluss eines Gesellschafters

Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.

Der Abfindungsanspruch des ausgeschlossenen Gesellschafters unterliegt einer dreijährigen Verjährungsfrist. Er entsteht nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in dem Jahr des Ausschlusses des Gesellschafters.

Der Abfindungsanspruch des aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschiedenen Gesellschafters unterliegt gemäß § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit einer Klage durchgesetzt werden.

Der auf den Unternehmenswert gerichtete gesellschaftsvertragliche Abfindungsanspruch ist auch bei ratierlicher Auszahlung ein einheitlicher Gesamtanspruch, der mit der Fälligkeit der ersten Rate erstmalig als solcher geltend gemacht werden kann.

Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Der Zumutbarkeit einer Klageerhebung kann es auch entgegenstehen, dass der Gläubiger sich mit der Klage zu seinem Vorbringen in einem noch nicht abgeschlossenen Vorprozess in Widerspruch setzen müsste. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Zumutbarkeit einer auf die Geltendmachung des Abfindungsanspruchs gerichteten Klageerhebung verneint, wenn in einem Streit über das Ausscheiden eine einigermaßen verlässliche rechtliche Einschätzung der Wirksamkeit der Kündigung offensichtlich nicht gegeben ist.

Die Beurteilung des Berliner Kammergerichts, dem ausgeschlossenen Gesellschafter sei die Erhebung einer Klage bereits bei Eintritt der Fälligkeit des Abfindungsanspruchs zumutbar gewesen7, ist jedoch, wie jetzt der Bundesgerichtshof entschied, rechtsfehlerhaft. Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.

So hängt die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters aus wichtigem Grund typischerweise von der Beurteilung ab, ob den übrigen Gesellschaftern die weitere Zusammenarbeit mit dem vom Ausschluss betroffenen Gesellschafter zumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie auch ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Macht der durch einen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossene Gesellschafter die Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses geltend, beruht die Beurteilung, ob ein den Ausschluss rechtfertigender wichtiger Grund vorlag, auf einer Würdigung und Abwägung von tatsächlichen Umständen, deren Ergebnis auch der Rechtskundige häufig nur schwer vorhersehen kann. Die beim möglichen Abfindungsgläubiger hierdurch auftretende Ungewissheit über die Wirksamkeit seines Ausschlusses steht wertungsmäßig der Tatsachenunkenntnis gleich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wirksamkeit des Ausschlusses zwischen den Parteien nicht im Streit steht oder derart offensichtlich ist, dass der betroffene Gesellschafter keine begründeten Zweifel an der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses haben durfte.

Dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist es im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen. Es entspricht vielmehr den wohlverstandenen Interessen auf Gläubiger und Schuldnerseite, wenn der Abfindungsanspruch erst geltend gemacht wird, nachdem Klarheit über das Ausscheiden des ausgeschlossenen Gesellschafters geschaffen wurde.

Die Vorschriften über die Verjährung dienen der Rechtssicherheit und sollen dem Gläubiger eine faire Chance eröffnen, seinen Anspruch geltend zu machen, also das Bestehen seiner Forderung zu erkennen, ihre Berechtigung zu prüfen, Beweismittel zusammenzutragen und die gerichtliche Durchsetzung der Forderung ins Werk zu setzen. Die Interessen des Schuldners richten sich darauf, vor den Nachteilen geschützt zu werden, die der Ablauf von Zeit bei der Abwehr unbegründeter Ansprüche bzw. die Inanspruchnahme wegen einer Forderung mit sich bringen, mit der der Schuldner nicht mehr rechnen musste.

Die Geltendmachung des Abfindungsanspruchs vor der Klärung der Wirksamkeit des Ausschlussbeschlusses entspricht typischerweise weder den Interessen des Gläubigers des Abfindungsanspruchs noch den Schuldnerinteressen. Auch die Rechtssicherheit gebietet die Geltendmachung nicht.

Ein Vertrauen der Gesellschaft bzw. der verbleibenden Gesellschafter, nach der Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses nicht mehr auf eine Abfindung in Anspruch genommen zu werden, ist nicht schutzwürdig und diese sind auch ohne weiteres in der Lage, die für die Berechnung eines Abfindungsanspruchs erforderlichen Tatsachen zu erheben und gegebenenfalls zu sichern. Der Abfindungsanspruch des Ausgeschlossenen nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet sich gegen die Gesellschaft. Die übrigen Gesellschafter haften entsprechend § 128 HGB für diese Verbindlichkeit persönlich. Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses aus der Gesellschaft ist, wenn der Gesellschaftsvertrag hierzu nichts anderes vorsieht, zwischen den Gesellschaftern auszutragen. Im Hinblick auf den das Personengesellschaftsrecht beherrschenden Grundsatz der Selbstorganschaft ist die Gesellschaft als Abfindungsschuldnerin auch dann, wenn sie am Streit der Gesellschafter über die Wirksamkeit des Ausschlusses nicht selbst beteiligt ist, darüber informiert, dass eine Klärung hierzu noch aussteht. Dass dem ausgeschlossenen Gesellschafter für den Fall der Wirksamkeit des Ausschlusses entweder gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB oder entsprechend dem im Gesellschaftsvertrag Vereinbarten ein Abfindungsanspruch zusteht oder er ggf. nach § 739 BGB für einen Fehlbetrag aufkommen muss, ist ebenso selbstverständlich wie die Abhängigkeit dieser Ansprüche von der noch ausstehenden Klärung.

Dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist es dagegen im Regelfall nicht zuzumuten, vor der gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit seines Ausschlusses seinen Abfindungsanspruch gerichtlich zu verfolgen. Dem ausgeschlossenen Gesellschafter muss ungeachtet der sofortigen Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses von Verfassung wegen die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Maßnahme zustehen. Er muss es bis zur gerichtlichen Klärung regelmäßig nicht hinnehmen, unter Aufgabe seines Standpunkts, aus der Gesellschaft nicht wirksam ausgeschlossen worden zu sein, seinen Abfindungsanspruch zu verfolgen und sich damit in Widerspruch zu dem eigentlich verfolgten Rechtsschutzziel setzen.

Weder die Möglichkeit, den Abfindungsanspruch im selben Prozess hilfsweise zu verfolgen noch die Möglichkeit einer Hemmung der Verjährung durch eine Streitverkündung gemäß § 72 Abs. 1 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB führen zu einer anderen Beurteilung.

Die hilfsweise Geltendmachung des Abfindungsanspruchs im Rechtsstreit mit den Gesellschaftern über die Wirksamkeit des Ausschlusses kommt regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Haftung entsprechend § 128 HGB in Betracht. Dem ausgeschlossenen Gesellschafter muss es aber unbenommen bleiben, seinen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft selbst zu verfolgen. Abgesehen davon würde die hilfsweise Geltendmachung des Abfindungsanspruchs gegen die übrigen Gesellschafter zudem die Klärung der Wirksamkeit des Ausscheidens für die Beteiligten erschweren, ohne dass damit erkennbare Vorteile in Bezug auf die Geltendmachung der im Raum stehenden Folgeansprüche verbunden wären. Überzeugt sich das Gericht im ersten Rechtszug von der Wirksamkeit des Ausschlusses, wäre es nicht prozessökonomisch, den möglicherweise aufwändigen Streit über den Abfindungsanspruch zu führen, bevor über die Wirksamkeit des Ausschlusses rechtskräftig entschieden ist. Ein Teilurteil könnte nur ergehen, wenn über den Hilfsantrag zumindest dem Grunde nach entschieden wird, damit mit der Entscheidung über den Hauptantrag der Entscheidung über den Hilfsantrag sachlich nicht vorgegriffen wird. Mit einer solchen Entscheidung ist den Beteiligten im Regelfall wenig gedient, insbesondere würde diese Vorgehensweise nichts daran ändern, dass eine streitige Auseinandersetzung über die Höhe des Abfindungsanspruchs erst nach der Klärung der Wirksamkeit des Ausscheidens erfolgt.

Auf die Frage, ob der Gesellschaft nach § 72 Abs. 1 ZPO im Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Ausschlusses mit der Folge einer Hemmung der Verjährung des Abfindungsanspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in zulässiger Weise der Streit verkündet werden kann, kommt es nicht an. Die Möglichkeit einer vorsorglichen, die Verjährung hemmenden Streitverkündung hat auf die Beurteilung, ob dem Ausgeschlossenen nach den ihm vorliegenden Kenntnissen die Rechtsverfolgung zumutbar ist, keinen maßgebenden Einfluss.

Etwas anderes kann nur im Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn die Wirksamkeit des Ausschlusses offensichtlich ist und der ausgeschlossene Gesellschafter diese ohne tragfähigen Grund in Frage stellt. Ein solcher Ausnahmefall liegt ausgehend von den für die revisionsrechtliche Prüfung nach § 559 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.


Quelle: BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 – II ZR 41/20