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Schadensersatz wegen Mobbings

Eine Arbeitgeberin ist ihrer Arbeitnehmerin gegenüber zum Schadensersatz wegen “Mobbings” nur verpflichtet, wenn sie arbeitsvertragliche Pflichten (§ 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB) oder die Gesundheit der Arbeitnehmerin, die ein besonders geschütztes Rechtsgut iSv. § 823 Abs. 1 BGB ist, verletzt hat.

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen “Mobbings” kann als vertraglicher Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommen. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger in dem Fall, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.

Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und ihn keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet.

Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen. Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt.

Ein Schadensersatzanspruch wegen “Mobbings” kann aber auch als deliktischer Anspruch insbesondere aus § 823 Abs. 1 BGB – bzw. § 831 BGB – folgen. Dabei verbietet § 823 Abs. 1 BGB nicht nur eine widerrechtliche Verletzung der in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten, besonders geschützten Rechtsgüter, ua. der Gesundheit. Auch das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als “sonstiges Recht” iSv. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Auch seine widerrechtliche Verletzung kann demnach Schadensersatzansprüche auslösen. Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Stützt der Arbeitnehmer – wie hier – seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn durch “Mobbing” an seiner Gesundheit beschädigt, so kann er nach § 253 Abs. 2 BGB auch eine billige Entschädigung in Geld fordern.

Stützt der Arbeitnehmer hingegen seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn widerrechtlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, so kann er zwar ebenfalls eine billige Entschädigung in Geld fordern. Dieser Anspruch folgt aber nicht aus § 253 Abs. 2 BGB, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht in dieser Bestimmung nicht aufgeführt ist, sondern unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Da bei auf “Mobbing” gestützten Entschädigungsklagen nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, setzt der Anspruch allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.

Allerdings stellt nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgeberseine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dar. Insbesondere sind im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, nicht geeignet, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, sog. folgenloses bzw. sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen.

Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen des Arbeitnehmers zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten. Die Grenze zum nicht rechts- bzw. sozialadäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen einzelne – vom Arbeitnehmer darzulegende – Handlungen oder Verhaltensweisen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellen, allerdings die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zur Annahme einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Dann sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen, einzelne zurückliegende Handlungen oder Verhaltensweisen dürfen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden.

Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden. Daher kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob das LandesarbeitsgerichtDenkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer Weise mit einbezogen hat, sowie, ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist.

Insbesondere stellen nicht nur Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und die nicht auf einer schikanösen Tendenz beruhen, regelmäßig keine Rechtsgutsverletzung dar. Vielmehr gilt dies auch für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen, sofern ihnen sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen.

Für einen Schadensersatzanspruch wegen “Mobbings” kommt es auch nicht darauf an, ob eine Abmahnung formal und inhaltlich in jeder Hinsicht den rechtlichen Anforderungen entspricht. Vielmehr ist entscheidend, ob die Abmahnungen mit der Zielrichtung erfolgten, die Arbeitnehmerin zu schikanieren und deshalb als Angriff auf ihre Gesundheit gewertet werden können.


Quelle: rechtslupe.de; BAG, Urteil vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15

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