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Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen

Das Abrunden von Urlaubsansprüchen ohne vertraglicher Regelung ist rechtswidrig. Hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaub, der weniger als einen halben Tag umfasst, hat der Arbeitgeber ihm diesen in Bruchteilen zu gewähren.

Im Revisionsverfahren verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr
Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub für 0,15 Arbeitstage Urlaub aus dem
Jahr 2016 zu leisten.
Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem 21. Juni 2010 als Fluggastkontrolleurin
im Schichtdienst am Flughafen K. Auf das Arbeitsverhältnis
findet der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom
4. September 2013 (MTV) Anwendung. Der MTV enthält ua. folgende Regelungen:

㤠17 Urlaub
(1) Soweit nichts anderes im Tarifvertrag geregelt ist,
gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in seiner jeweiligen
geltenden Fassung.
(2) Der Erholungsurlaub des/der Beschäftigten, dessen
durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche
verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt je Kalenderjahr

mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit
ab 5 Jahren 30 Arbeitstage.
Bei einer regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit
im Kalenderjahr auf mehr oder weniger Arbeitstage
pro Woche erfolgt eine entsprechende Umrechnung
des Urlaubsanspruchs.
Für im Jahres-/Monatsschichtplan arbeitende Beschäftigte
sind Urlaubstage die im Schichtplan regelmäßig
ausgewiesenen Arbeitstage. Keine Urlaubstage
im Sinne dieser Regelung sind die im Schichtsystem ausgewiesenen freien Tage.
Die Umrechnung des Urlaubs erfolgt nach folgender
Regel.
Urlaubstage Fünftagewoche x Jahresarbeitstage
260
…“

Die Beklagte gewährte der Klägerin für das Jahr 2016, in dem die Klägerin
an 244 Arbeitstagen tätig war, an insgesamt 28 Arbeitstagen Urlaub.
Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, sie habe für das
Jahr 2016 einen Anspruch auf 28,15 Arbeitstage Urlaub gehabt. Dieser sei im
Umfang von 0,15 Arbeitstagen verfallen, da die Beklagte sich geweigert habe,
ihr mehr als 28 Arbeitstage Urlaub zu gewähren.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr in Erfüllung ihres Urlaubsanspruchs
für das Jahr 2016 weitere 0,15 Arbeitstage
Urlaub zu gewähren.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage ua. mit der Begründung
beantragt, Urlaubsansprüche, die sich auf einen Bruchteil von weniger als 0,5
beliefen, seien auf volle Arbeitstage abzurunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit für die Revision von Bedeutung
– abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht
das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage ua. hinsichtlich
des von der Klägerin geltend gemachten Ersatzurlaubsanspruchs für das
Jahr 2016 stattgegeben. Mit der vom Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Beklagten zugelassenen Revision begehrt die Beklagte diesbezüglich die
Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Hinsichtlich
des Ersatzurlaubsanspruchs für das Jahr 2016 im Umfang von 0,15 Arbeitstagen
hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts
auf die Berufung der Klägerin zu Recht abgeändert und der Klage insoweit
stattgegeben.
I. Die Klage ist in diesem Umfang zulässig und begründet. Der Klägerin
steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Ersatzurlaub zu
(§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1
Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB). Der Urlaubsanspruch der Klägerin für
das Jahr 2016 betrug jedenfalls 28,15 Arbeitstage. Eine Abrundung des
Anspruchs auf 28 Arbeitstage kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat den
Anspruch durch die Gewährung von Urlaub an 28 Arbeitstagen teilweise erfüllt
(§ 362 Abs. 1 BGB). Der Resturlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls
0,15 Arbeitstagen ging spätestens mit Ablauf des 31. März 2017 unter (§ 7
Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG). Da sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit
der Urlaubsgewährung im Verzug befand (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), hat sie
der Klägerin Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten.
1. Der Umfang des der Klägerin zustehenden Urlaubs richtet sich nach
§ 17 Abs. 2 MTV. Gemäß § 17 Abs. 2 Unterabs. 4 MTV ist der in § 17 Abs. 2
Unterabs. 1 MTV für in der Fünftagewoche beschäftigte Arbeitnehmer tarifierte
Urlaub – hier 30 Arbeitstage – für Arbeitnehmer, die wie die Klägerin Schichtarbeit
leisten, nach der Formel

Urlaubstage Fünftagewoche x Jahresarbeitstage
/260

umzurechnen. Auf der Grundlage von 244 Arbeitstagen ergibt sich danach für
das Jahr 2016 ein Urlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls 28,15 Arbeitstagen.

2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der
Urlaubsanspruch der Klägerin nicht auf 28 Arbeitstage abzurunden ist. Nach
der Rechtsprechung des Senats kommt ohne eine gesonderte Rundungsvorschrift
eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen nicht in Betracht (vgl.
zuletzt BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 30 ff.).
a) Weder das BUrlG noch der MTV enthalten eine solche Rundungsregelung.
Soweit die Beklagte für die Auslegung des MTV in erster Linie auf Praktikabilitätserwägungen
abstellt, sind diese nicht maßgebend, da sie im Wortlaut
der Tarifvorschrift keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. zu den für die
Auslegung eines Tarifvertrags geltenden Grundsätzen BAG 12. August 2015
– 7 AZR 592/13 – Rn. 16).
b) Eine ergänzende Tarifauslegung, wie sie die Beklagte hilfsweise für
angezeigt erachtet, scheidet mangels Tariflücke aus (vgl. zu den Voraussetzungen
einer ergänzenden Tarifauslegung BAG 15. Dezember 2009 – 9 AZR
795/08 – Rn. 44). § 17 Abs. 1 MTV verweist für sämtliche Regelungsbereiche,
für die die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 MTV keine eigenständige
Tarifregelung geschaffen haben, auf die Vorschriften des BUrlG. Dieses
enthält abgesehen von der vorliegend nicht einschlägigen Vorschrift des § 5
Abs. 2 BUrlG keine Rundungsvorschriften. Soweit die Beklagte auf eine Kommentierung
des MTV durch die Tarifvertragsparteien verweist, verkennt sie,
dass die Kommentierung eines Tarifvertrags nicht Bestandteil der kommentierten
Tarifregelung ist.


Quelle: BAG, Urteil vom 8.5.2018, 9 AZR 578/17

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