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Informationsrecht des Kommanditisten

Das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten ist nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind. Vielmehr erweitert § 166 Abs. 3 HGB das Informationsrecht des Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch auf Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen der Gesellschaft.

Die gleichzeitige Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB durch eine Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Antrags nach § 166 Abs. 3 HGB nicht entgegen. Das Kontrollrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB tritt neben das Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGB.

Informationsschuldnerin ist insoweit die geschäftsführende Gesellschafterin. Das Antragsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB dient ebenso wie der allgemeine Informationsanspruch eines Gesellschafters in jeder Personengesellschaft der Durchsetzung der dem Kommanditisten zustehenden mitgliedschaftlichen Informationsrechte. Ebenso wie beim allgemeinen Informationsanspruch des Gesellschafters gilt auch hier, dass sich die aus dem Informationsrecht des Kommanditisten folgenden Ansprüche neben der Gesellschaft auch gegen das geschäftsführende Organ richten, das die Auskunft unschwer erteilen kann.

Dabei ist das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind. Vielmehr erweitert § 166 Abs. 3 HGB das Informationsrecht des Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch auf Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen der Gesellschaft.

Für den Fall der stillen Gesellschaft, für die in § 338 Abs. 3 HGB aF bzw. § 233 Abs. 3 HGB nF ein gleichlautender Informationsanspruch des stillen Gesellschafters geregelt ist, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass das außerordentliche Prüfungsrecht auch der Kontrolle der Geschäftsführung dient. Gleiches gilt auch für den Anspruch des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB.

Der Wortlaut des § 166 Abs. 3 HGB nennt neben der Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses sowie der Vorlegung der Bücher und Papiere auch die Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ durch das Gericht. Die Vorschrift enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf das in § 166 Abs. 1 HGBgeregelte Informationsrecht des Kommanditisten, das die Mitteilung des Jahresabschlusses und dessen Prüfung unter Einsicht der Bücher und Papiere vorsieht. Die Nennung der Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ stellt gegenüber den in beiden Absätzen ausdrücklich genannten Informationsquellen ein Mehr an Informationsmöglichkeiten dar und geht damit inhaltlich über das in § 166 Abs. 1 HGB geregelte Informationsrecht hinaus. Die Anordnung kann zudem „jederzeit“ auf Antrag eines Kommanditisten ergehen; auch dies spricht dafür, dass das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte Auskunftsrecht vom Jahresabschluss unabhängig ist.

Aus der Regelungssystematik des § 166 HGB ergibt sich ebenfalls eine eigenständige Stellung des in § 166 Abs. 3 HGB geregelten außerordentlichen Informationsrechts. Während das Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGBohne weitere Voraussetzungen besteht und in § 166 Abs. 2 HGB klargestellt wird, dass dem Kommanditisten die in § 118 HGB dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter einer OHG eingeräumten Kontrollrechte also insbesondere das Recht auf (jederzeitige) persönliche Unterrichtung von den Angelegenheiten der Gesellschaft nicht zustehen, besteht das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Hinzu kommt, dass die Geltendmachung des Anspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB im Wege der zivilprozessualen Klage zu erfolgen hat, während § 166 Abs. 3 HGB die Geltendmachung des außerordentlichen Informationsrechts in einem Streitverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorschreibt. Bei einer inhaltlichen Beschränkung auf Auskünfte, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind, würde eine Verbindung mit der prozessualen Durchsetzung des Anspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB eher naheliegen.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 166 HGB spricht für einen außerordentlichen Auskunftsanspruch des Kommanditisten, der inhaltlich über das in § 166 Abs. 1 HGBgeregelte Informationsrecht hinausgeht. § 166 HGB geht auf Art. 150 des Preußischen HGB-Entwurfs von 1857 und auf Art. 153 des Ersten ADHGB-Entwurfs zurück, die das Auskunftsrecht des Kommanditisten inhaltlich der heutigen Fassung der Absätze 1 und 2 entsprechend auf die Mitteilung der jährlichen Bilanz und deren Prüfung durch Einsicht in Bücher und Papiere der Gesellschaft beschränkten und dem Kommanditisten die weitergehenden Auskunftsrechte eines OHG-Gesellschafters ausdrücklich versagten. Auf einen Antrag Hamburgs, den 2. Absatz zu streichen oder einen Zusatz des Inhalts anzunehmen, dass ein Richter auf Antrag des Kommanditisten bei Vorliegen eines zwingenden Grundes „die Ertheilung einer Abrechnung oder sonstiger Aufklärungen nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen“ könne, wurde sodann „nach kurzer Diskussion, bei welcher hervorgehoben wurde, daß die jetzige Fassung des Artikels zu absolut sei und unter Umständen die Statuierung einer Ausnahme nicht umgangen werden könne“, der vorgeschlagene Zusatz angenommen.

Die Regelungen zum Recht der Kommanditgesellschaft wurden danach im Wesentlichen unverändert in das HGB übernommen und § 166 Abs. 3 HGB in der bis heute abgesehen von einer hier nicht interessierenden redaktionellen Anpassung an das Bilanzrechtrichtlinienumsetzungsgesetz aus dem Jahr 1985 geltenden Fassung erlassen.

Schließlich dient § 166 HGB insgesamt dazu, die Auskunftsansprüche des Kommanditisten von denen eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs abzugrenzen, der sich anlassunabhängig von den Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten kann. Dazu reicht es aus, die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs an das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu knüpfen.

Das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB stellt, wie dargestellt, kein allgemeines Auskunfts- und Einsichtsrecht des Kommanditisten dar, der gem. § 166 Abs. 2 HGB ausdrücklich nicht wie ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener Gesellschafter einer OHG das Recht auf jederzeitige Unterrichtung von den Angelegenheiten der Gesellschaft hat, sondern rechtfertigt von vornherein nur die Zuerkennung solcher Informations- und Aufklärungsrechte, die zur Durchsetzung gesellschaftsvertraglicher Rechte bzw. zur Wahrung berechtigter Interessen des Kommanditisten geeignet und angemessen sind. Das außerordentliche Informationsrecht wird insoweit durch das Informationsbedürfnis des Kommanditisten begrenzt, das sich aus dem wichtigen Grund ergibt. Es steht dem Kommanditisten deshalb auch nicht zur Verfügung, um auf Maßnahmen hinzuwirken, die Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung sind.

Ein wichtiger Grund ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Belange des Kommanditisten durch das vertragliche oder aus § 166 Abs. 1 HGB folgende Einsichtsrecht nicht hinreichend gewahrt sind und darüber hinaus die Gefahr einer Schädigung besteht. Ein wichtiger Grund ist deshalb etwa dann anzunehmen, wenn die Überwachung der Geschäftsführung im Interesse des Kommanditisten geboten ist, z.B. bei drohender Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditist. Der Kommanditist muss konkrete Umstände für die Erforderlichkeit und Bedeutung der begehrten Informationen darlegen, d.h. zumindest dafür, dass ein begründetes Misstrauen gegenüber der Geschäftsführung besteht.

Eignung, Erforderlichkeit und Umfang der zu erteilenden Auskunft hängen von dem geltend gemachten wichtigen Grund ab. In diesem Zusammenhang muss eine Abwägung zwischen dem gewichteten Informationsbedürfnis des Kommanditisten und den Interessen der Gesellschaft vorgenommen werden.

Dabei ist zu beachten, dass ich ein Auskunftsanspruch der Kommanditisten grundsätzlich nur auf die geschäftlichen Belange und die Geschäftsführung derjenigen Kommanditgesellschaften beziehen kann, deren Kommanditistin sie ist; zwar umfasst das Auskunftsrecht auch die evtl. Rechtsbeziehungen zwischen diesen Gesellschaften und Dritten, nicht jedoch die geschäftlichen Belange anderer Kommanditgesellschaften oder Rechtsbeziehungen zwischen Dritten.


Quelle: rechtslupe.de, BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 – II ZB 10/15

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