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Gesetzlicher Mindestlohn – und die Verfallklausel

Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 3 Satz 1 MiLoG kann nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden. Entsprechende Vereinbarungen sind insoweit unwirksam, wobei die Norm selbst – ohne dass es eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedürfte – die Unwirksamkeitsfolge anordnet.

Der Mindestlohn ist stets vom Streitgegenstand einer auf Vergütung für geleistete Arbeit gerichteten Klage umfasst.

Materiell-rechtlich tritt der gesetzliche Anspruch auf den Mindestlohn zwar eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. Das bedeutet indes nicht, dass er ohne jeden Zusammenhang zu den sonstigen Grundlagen der Vergütung stünde. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit 1.04.2017 nach § 611a Abs. 2 BGB dem Arbeitnehmer zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Ist diese höher als der gesetzliche Mindestlohn, verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Der Arbeitgeber schuldet nicht zusätzlich den gesetzlichen Mindestlohn, sondern – von Gesetzes wegen – nur ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, § 20 MiLoG. Ist die vereinbarte Vergütung geringer als der gesetzliche Mindestlohn, führt § 3 MiLoG zu einem Differenzanspruch3. Damit bildet der gesetzliche Mindestlohn, auf den nach § 1 Abs. 1 MiLoG jeder Arbeitnehmer Anspruch hat, eine Art Sockel, der in jedem höheren Entgeltanspruch enthalten ist.

Prozessual bestimmt sich der Gegenstand des Verfahrens nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund). Der Streitgegenstand iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Arbeitnehmer zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat6. Beantragt – wie im Streitfall – ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer einen bestimmten Eurobetrag als vereinbarte Vergütung für in einem bestimmten Zeitraum geleistete Arbeit, umfasst der Lebenssachverhalt (“ich habe gearbeitet”) auch den der vertraglichen Vergütung innewohnenden gesetzlichen Mindestlohnsockel. Bei einer auf tatsächliche Arbeit gestützten Entgeltklage ist daher der Mindestlohn für die geleistete Arbeit stets streitgegenständlich. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen, indem es ohne jede Differenzierung angenommen hat, “die Klageansprüche” für den Streitzeitraum 1. bis 29.03.2016 seien nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung wegen nicht rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung verfallen.

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BAG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18

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