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Der entlassene Fremdgeschäftsführer – und der richtige Rechtsweg

Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person.

Für die Klage des Fremdgeschäftsführers ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichtsgerichten daher auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG eröffnet.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

Auszugehen ist dabei vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff1. Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um. § 5 ArbGG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde. Durch dieses Verständnis wird dem Dienstverpflichteten ein ggf. unionsrechtlich vermittelter Schutz nicht versagt. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist in Bereichen, in denen Unionsrecht anzuwenden ist, das nicht auf den Arbeitnehmerbegriff des nationalen Rechts verweist, unabhängig davon zu beachten, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen oder den ordentlichen Gerichten geführt wird.

Entgegen den Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in den Vorinstanzen scheidet vorliegend eine Wahlfeststellung aus, bei der dahingestellt bliebe, ob das Vertragsverhältnis der Parteien ein Arbeitsverhältnis ist. Zwar kann die Rechtswegbestimmung grundsätzlich im Rahmen einer Wahlfeststellung getroffen werden, weil nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen schon dann eröffnet ist, wenn die klagende Partei entweder Arbeitnehmer oder arbeitnehmer-ähnliche Person ist. Eine Wahlfeststellung ist vorliegend jedoch nicht möglich, weil die Geschäftsführerin weder Arbeitnehmerin noch arbeitnehmerähnliche Person ist.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht schon nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen. Die Geschäftsführerin wurde im vorliegenden Fall von der GmbH am 31.07.2017 mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt als Geschäftsführerin abberufen.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG eröffnet. Der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich nicht allein dadurch, dass er abberufen wird. Das Anstellungsverhältnis wird durch den Abberufungsakt nicht zum Arbeitsverhältnis und der Organvertreter nicht zur arbeitnehmerähnlichen Person. Die Gerichte für Arbeitssachen sind deshalb zur Entscheidung des Rechtsstreits nur berufen, wenn es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG handelt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gegeben, weil die Geschäftsführerin nicht Arbeitnehmerin der GmbH ist.

Wie das Landesarbeitsgericht unter zutreffender Auslegung des Klagebegehrens zu Recht erkannt hat, begründet die bloße Behauptung der Geschäftsführerin, das Vertragsverhältnis der Parteien sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG. Es handelt sich bei der Klage nicht um einen sog. Sic-non-Fall.

Die Fallgruppen “sic non“, “aut aut” und “et et” hat die Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage entwickelt, welche Anforderungen an das klägerische Vorbringen zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten zu stellen sind. Ein sog. Sic-non-Fall liegt vor, wenn die Klage nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesem Fall eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen.

So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Die Geschäftsführerin greift die fristlose Kündigung der GmbH vom 31.07.2017 – über den engen Wortlaut des Klageantrags hinausgehend – ausweislich der Klagebegründung, die bei der Auslegung des Klageantrags zu berücksichtigen ist, unabhängig davon an, ob das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis einzuordnen ist. Sie stellt die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zur Überprüfung. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Erklärungen der Geschäftsführerin im Rahmen des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens bestätigt. Der Erfolg der Klage ist damit nicht von ihrer Arbeitnehmerstellung abhängig. Die Geschäftsführerin könnte im vorliegenden Rechtsstreit auch dann obsiegen, wenn die Kündigung eines Dienstverhältnisses in Rede stünde und deshalb nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedurft hätte. Auch bei Bestehen eines freien Dienstverhältnisses wäre die Wirksamkeit der Kündigung am Maßstab des § 626 BGB zu überprüfen.

Die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses mit der GmbH hat die Geschäftsführerin nicht schlüssig dargelegt.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.02.2017 eingefügte, am 1.04.2017 in Kraft getretene Regelung des § 611a BGB entspricht hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis in Abs. 1 den nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden, aus § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB abgeleiteten Grundsätzen.

Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner oder einen weiteren Geschäftsführer neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs. 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Berücksichtigt man dies, kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann.

Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls sind im Streitfall nicht erfüllt. Weder der Dienstvertrag noch die von der Geschäftsführerin behauptete tatsächliche Vertragsdurchführung lässt den Schluss zu, die Geschäftsführerin sei intern Weisungen der GmbH unterlegen, die es rechtfertigten, das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.

Die Regelungen des Dienstvertrags weisen das Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis aus und begründen kein Weisungsrecht der GmbH, das über ein gesellschaftsrechtliches hinausgeht. Die Bestimmung von Zeit und Ort der Dienstleistung bleibt der Geschäftsführerin vorbehalten. Soweit sich nach § 2 Nr. 2 DV die Rechte und Pflichten und der Umfang der Entscheidungsbefugnisse der Geschäftsführerin aus dem für die Gesellschaft bestehenden Gesellschaftsvertrag und den dazu erlassenen Dienstanweisungen und ggf. aus der zusätzlich erlassenen Geschäftsordnung für die Geschäftsführerin ergeben, werden allein die nach § 37 Abs. 1 GmbHG möglichen internen Beschränkungen der Befugnisse eines Geschäftsführers wiedergegeben. Die in § 2 Nr. 3 DV vorgesehene Auskunfts- und Berichtspflicht dient allein der Information der Gesellschafter und ist notwendige Grundlage der von den Gesellschaftern zu treffenden Entscheidungen. Sie geht nicht über gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen eines Geschäftsführers hinaus. Auch die aus § 2 Nr. 1 DV resultierenden Verpflichtungen, die Dienstleistung persönlich zu erbringen und die volle Arbeitskraft den ihr übertragenen Aufgaben zu widmen, sind kein Indiz für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern Folge der Organstellung als Geschäftsführerin, die dem Vertragsverhältnis zugrunde liegt. Gleiches gilt für die Verpflichtung, die Einbringung des Urlaubs mit den betrieblichen Belangen abzustimmen (§ 12 Nr. 1 DV). § 11 DV sieht entgegen der Ansicht der Geschäftsführerin kein Nebentätigkeitsverbot vor, das als Indiz gegen die Selbstständigkeit der Geschäftsführerin sprechen könnte. Die Bestimmung stellt die Aufnahme der dort aufgeführten Tätigkeiten außerhalb des Vertragsverhältnisses mit der GmbH unter Erlaubnisvorbehalt. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt berechtigt den Dienstgeber nicht, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Daraus folgt, dass die Geschäftsführerin als Dienstverpflichtete einen Anspruch auf Zustimmung bzw. Einwilligung hat, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit berechtigte Interessen der GmbH nicht beeinträchtigt. Ein Erlaubnisvorbehalt ist somit nicht einem Nebentätigkeitsverbot gleichzusetzen. Er dient nur dazu, dem Dienstgeber bereits vor Aufnahme der Nebentätigkeit die Überprüfung zu ermöglichen, ob seine Interessen beeinträchtigt werden. Im Ergebnis wird der Geschäftsführerin mit § 11 DV lediglich aufgegeben, die GmbH vor Aufnahme einer Nebentätigkeit zu unterrichten.

Aus § 1 Nr. 1 Satz 3 DV, dem zufolge die Geschäftsführerin “als Organvertreterin ‚Leitende Angestellte‘ im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (§ 14 Abs. 1 KSchG)” sei, kann nicht geschlossen werden, die Parteien hätten ein Arbeitsverhältnis vereinbart. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält für die darin bezeichneten Organvertreter eine negative Fiktion, die unabhängig davon eingreift, ob das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist.

Dass die Geschäftsführerin als GmbH-Geschäftsführerin, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog. Fremdgeschäftsführerin), abhängig beschäftigt iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV ist, steht einem freien Dienstverhältnis nicht entgegen. Der Begriff des Arbeitnehmers iSv. § 5 ArbGG und der des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses sind nicht deckungsgleich.

Die Vertragsdurchführung lässt nicht den Schluss zu, die Parteien hätten abweichend von den Bestimmungen des Dienstvertrags ein Arbeitsverhältnis begründen wollen. Die Vorgaben bezüglich der Gestaltung und Abstimmung von Vorlagen für die Gesellschafterversammlung gehen nicht über unternehmerische Weisungen hinaus. Soweit sich die Geschäftsführerin im Rechtsbeschwerdeverfahren auf eine Einflussnahme der Gesellschafter auf die Einstellung von Chef- und Oberärzten und die Personalplanung sowie die Aufforderung bezieht, Gespräche mit dem Oberarzt Dr. T zu führen, ist ihr Vortrag unsubstanziiert. Gleiches gilt für die von der Geschäftsführerin behaupteten Weisungen, politische Gesprächstermine wahrzunehmen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet sind, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der Geschäftsführerin nicht. Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, dass der von der GmbH bestrittene Vortrag der Geschäftsführerin, soweit er neue Tatsachen betrifft, die nicht Gegenstand des angegriffenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts sind, in der Rechtsbeschwerdeinstanz gemäß § 577 Abs. 2 Satz 4 iVm. § 559 ZPO nicht berücksichtigungsfähig ist.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eröffnet. Die Geschäftsführerin ist nicht arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige, die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als Arbeitnehmer gelten. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnliche Personen sind – in der Regel wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit, oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation – in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Unselbstständigkeit. Außerdem muss die wirtschaftlich abhängige Person ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein.

Bei dem Begriff der “arbeitnehmerähnlichen Person” iSv. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob ein Selbstständiger eine arbeitnehmerähnliche Person ist, ist nur daraufhin überprüfbar, ob das Beschwerdegericht den Rechtsbegriff der arbeitnehmerähnlichen Person selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat.

Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend von den Rechtssätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht aufgestellt hat. Es hat diese jedoch im Hinblick auf die Frage der sozialen Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführerin rechtsfehlerhaft angewandt.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass in Bezug auf die Geschäftsführerin die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt sind. Sie ist regelmäßig gegeben, wenn der Selbstständige auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist.

Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerhaft eine mit einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführerin bejaht, indem es zur Begründung erneut auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Geschäftsführerin abgestellt und zudem die Besonderheiten der Organstellung einer Geschäftsführerin nicht genügend beachtet hat.

Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.

Die Geschäftsführerin ist ihrer gesamten sozialen Stellung nach nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichbar.

Das Fehlen einer eigenen Betriebsorganisation und eigener Produktionsmittel kann zwar im Einzelfall eine einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit begründen25. Hierbei können jedoch entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts die soziale Stellung des Selbstständigen im Übrigen und die Besonderheiten des jeweiligen Vertragsverhältnisses nicht außer Betracht bleiben.

Die von der Geschäftsführerin als Geschäftsführerin geleisteten Dienste sind nach ihrer sozialen Typik nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Dies ergibt sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person, im Fall des Fremdgeschäftsführers jedenfalls aber eine arbeitgeberähnliche Person. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern.

Der arbeitgeberähnlichen Stellung der Geschäftsführerin entsprechen die Regelungen des ihrer Organstellung zugrunde liegenden Dienstvertrags. Sie wiesen die Geschäftsführerin uneingeschränkt als Vertreterin der Arbeitgeberin und zugleich als soziale Gegenspielerin der Arbeitnehmerschaft aus28, indem ihr die Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft, deren alleinige gerichtliche und außergerichtliche Vertretung (§ 1 Nr. 2 DV), die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebs der Gesellschaft sowie der Tochtergesellschaft S GmbH (§ 1 Nr. 4 DV) zugewiesen war. Zudem hatte die Geschäftsführerin die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrzunehmen und war Vorgesetzte aller Mitarbeiter der Gesellschaft und der von den Gesellschaftern gestellten Mitarbeiter und diesen weisungsbefugt (§ 2 Nr. 5 DV).

Es handelt sich demnach um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der Rechtsstreit ist daher an das zuständige Landgericht (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) zu verweisen. Die Geschäftsführerin ist der von der GmbH beantragten Verweisung an das nach § 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständige Landgericht Waldshut-Tiengen nicht entgegengetreten.


Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18

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