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Einrichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH

Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist keine Satzungsänderung und ohne Beachtung der für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften zulässig, wenn die Ermächtigung ausreichend bestimmt ist und der Einrichtungsbeschluss nicht gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt.

Wenn es eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer nicht mitbestimmten GmbH zulässt, kann ein fakultativer Aufsichtsrat durch nicht notariell beurkundeten Mehrheitsbeschluss ohne Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister eingerichtet werden.

Die Bildung eines fakultativen Aufsichtsrats in der nicht mitbestimmten GmbH bedarf einer Regelung im Gesellschaftsvertrag. Ein einfacher Gesellschafterbeschluss genügt nicht. Ob eine die Einrichtung eines Aufsichtsrats gestattende Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH ausreichende Beschlussgrundlage sein kann oder ob ein solcher Beschluss nur unter Einhaltung der für eine Satzungsänderung gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen gefasst werden darf, ist umstritten. Teilweise wird die Zulässigkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats durch einen nicht notariell beurkundeten Mehrheitsbeschluss und ohne Eintragung in das Handelsregister auf der Grundlage einer Öffnungsklausel abgelehnt, weil durch einen solchen Beschluss ein dauerhaft von der Satzung abweichender rechtlicher Zustand begründet würde. Ein solcher Beschluss sei daher ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften unwirksam. Eine Öffnungsklausel in der Satzung ändere daran nichts, weil eine Ermächtigung zur Regelung nicht schon die Regelung selbst sei. Die mit der Einrichtung eines Aufsichtsrats verbundene materielle Änderung der Gesellschaftsverfassung sei offensichtlich. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe eine GmbH ohne Aufsichtsrat, erst danach eine mit Aufsichtsrat. Die Änderung der Gesellschaftsverfassung durch die Errichtung eines mit Organkompetenzen ausgestatteten Aufsichtsrats sei stets eine materielle Satzungsänderung.

Das Schrifttum geht hingegen überwiegend davon aus, dass die Bildung eines fakultativen Aufsichtsrats in der nicht mitbestimmten GmbH zwar grundsätzlich einer Regelung im Gesellschaftsvertrag bedürfe. Allerdings sei es ausreichend, wenn eine Öffnungsklausel in der Satzung die Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats zulasse.

Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist keine Satzungsänderung und ohne Beachtung der für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften zulässig, wenn die Ermächtigung ausreichend bestimmt ist und der Einrichtungsbeschluss nicht gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt.

Die Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats in einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt. Bereits mit Urteil vom 13.06.1983 hat der Bundesgerichtshof den auf der Grundlage einer Öffnungsklausel gebildeten Aufsichtsrat einer GmbH als funktionsfähiges Organ der Gesellschaft angesehen. Mit Urteil vom 07.06.1993 ging er von einem aufgrund einer Öffnungsklausel wirksam errichteten Aufsichtsrat aus und befand lediglich die Verlängerung der laut Satzung dreijährigen Amtszeit durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss in Ermangelung einer Satzungsgrundlage für nichtig.

Die Gründer einer GmbH haben ein anerkennenswertes Interesse auf eine flexible Satzungsgestaltung, dass sie zwar die erforderliche Satzungsgrundlage für die Einrichtung eines Aufsichtsrats schaffen, sich aber noch nicht festlegen wollen, ob und wann sie davon Gebrauch machen. Hierbei handelt es sich um eine bei mittelständischen Unternehmen seit vielen Jahren weit verbreitete Gestaltungspraxis6. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bedeutet zwar einen signifikanten Eingriff in die Binnenstruktur der Gesellschaft. Dies gilt vor allem dann, wenn einem fakultativen Aufsichtsrat wie vorliegend die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer übertragen wird, weil in der nicht mitbestimmten Gesellschaft die Bestellung und die Abberufung sowie die Anstellung und Kündigung der Geschäftsführer zu den wesentlichen Aufgaben der Gesellschafter gehören (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Indes findet die Veränderung der Binnenstruktur der Gesellschaft nicht außerhalb des Gesellschaftsvertrags statt, sondern die Gesellschafter nehmen den Struktureingriff in Gestalt einer entsprechenden Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag bereits vorweg. Sie haben dadurch eine Organisationsstruktur ihrer GmbH mit drei Organen, bestehend aus Gesellschaftern, Geschäftsführern und Aufsichtsrat, gesellschaftsvertraglich gebilligt. Wird von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht, wird kein von der Satzung abweichender rechtlicher Zustand begründet, der die Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften erfordern würde. Stattdessen handelt es sich bei der auf der Basis einer Öffnungsklausel vorgenommenen Einrichtung eines Aufsichtsrats um die Herstellung des im Gesellschaftsvertrag bereits angelegten Zustands. Der Beschluss bedarf daher vorbehaltlich strengerer Anforderungen im Gesellschaftsvertrag keiner qualifizierten Stimmenmehrheit und keiner notariellen Beurkundung nach § 53 Abs. 2 GmbHG; zu seiner Wirksamkeit ist die Eintragung in das Handelsregister nach § 54 Abs. 3 GmbHG nicht erforderlich.

Im Hinblick auf Transparenzdefizite vorgetragene Bedenken gegen die Einrichtung eines Aufsichtsrats auf der Grundlage einer Öffnungsklausel sind nicht durchgreifend. Enthält ein Gesellschaftsvertrag eine Öffnungsklausel, lässt sich anhand des beim Handelsregister einsehbaren Gesellschaftsvertrags erfahren, dass möglicherweise ein Aufsichtsrat besteht. Ein potenzieller Erwerber kann zudem nachfragen, ob von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht wurde. Sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, ist nach § 35a Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf allen Geschäftsbriefen der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben. Zudem verpflichtet § 52 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Geschäftsführer, bei Bestellung des Aufsichtsrats nach der Gründung unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats einzureichen. Das Registergericht hat nach § 10 HGB einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist.

Ob die Gesellschafter der GmbH bei Einrichtung des Aufsichtsrats den ihnen in der Öffnungsklausel eingeräumten Gestaltungsspielraum überschritten und gegen eine bestehende Kompetenzzuweisung an die Gesellschafterversammlung in der Satzung der GmbH verstoßen haben, konnte der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Streitfall dahinstehen lassen, weil dies die Wirksamkeit der Beschlüsse über die Einrichtung des Aufsichtsrats, die Wahl seiner Mitglieder und die Zuweisung der Überwachungspflicht und der Personalkompetenz im Übrigen nicht berühren würde:

Die im Gesellschaftsvertrag der GmbH vereinbarte Öffnungsklausel ist ausreichend bestimmt. Sie regelt mit der Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats und der Übertragung der Überwachung der Geschäftsführung auf diesen die wesentlichen Bestandteile einer Öffnungsklausel. Daneben enthält der Gesellschaftsvertrag der GmbH eine Auswahlmöglichkeit zur Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats sowie die Möglichkeit, die Personalkompetenz und das Weisungsrecht als wesentliche Aufgaben der Gesellschafterversammlung auf den Aufsichtsrat zu übertragen. Darüber hinaus hat der Gesellschaftsvertrag in seinen Bestimmungen über die Geschäftsführer bereits Vorsorge für den Fall getroffen, dass ein Aufsichtsrat eingerichtet wird.

Eine die Gesellschafterversammlung zur Einrichtung eines Aufsichtsrats ermächtigende Öffnungsklausel muss nicht jede Einzelheit regeln, sondern kann die nähere Ausgestaltung den Gesellschaftern überlassen. Da es als Grundlage für einen nicht den Anforderungen an eine Satzungsänderung unterliegenden Gesellschafterbeschluss über die Einrichtung eines Aufsichtsrats erforderlich ist, dass die Gesellschafter die wesentliche Strukturentscheidung im Gesellschaftsvertrag treffen, ist es notwendig, aber auch ausreichend, wenn neben der Grundsatzentscheidung über die Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats die wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrats, die Überwachungsfunktion, eine Satzungsgrundlage hat und, sofern weitere Kompetenzen übertragen werden sollen, diese jedenfalls in den Grundzügen schon in der Satzung aufgeführt sind.

Es konnte im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Übertragung der Kompetenz zur Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB auf den Aufsichtsrat gegen die Satzung der GmbH verstößt, weil diese Kompetenz in § 8 Abs. 2 GV ausdrücklich der Gesellschafterversammlung zugewiesen ist und nicht, wie in anderen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, ein Vorbehalt zu Gunsten eines gemäß § 9 Abs. 3 GV ermächtigten Aufsichtsrats aufgenommen wurde. Denn die Nichtigkeit der Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB würde nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse über die Einrichtung des Aufsichtsrats der GmbH, die Wahl seiner Mitglieder und die Kompetenzzuweisung im Übrigen führen.

Allerdings sind Satzungsdurchbrechungen, die einen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand begründen, ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nichtig. Die Nichtigkeit eines Beschlusses, mit dem dem Aufsichtsrat seine Kompetenzen zugewiesen wurde, zieht nicht nach § 139 BGB die Nichtigkeit der Beschlüsse, mit denen der Aufsichtsrat errichtet wurde und die Mitglieder des Aufsichtsrats gewählt wurden, nach sich. § 139 BGB findet auf mehrere, rechtlich oder sachlich zusammenhängende Beschlüsse keine Anwendung.

Es bedurfte im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob und unter welchen Umständen die Nichtigkeit eines Beschlusses Ausstrahlungswirkung in Bezug auf andere Beschlüsse entfalten kann. Denn die unterstellte Teilnichtigkeit des Beschlusses zu TOP 2.2 würde nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit führen. Werden in einem Beschluss mehrere Beschlussgegenstände zusammengefasst, beurteilt sich die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses bei der Nichtigkeit eines Teils entsprechend § 139 BGB. Danach ist der ganze Beschluss nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wäre. Insoweit kommt es auf den mutmaßlichen Willen der Gesellschafterversammlung an, der grundsätzlich durch Auslegung des Beschlusses zu ermitteln ist.

Nach dem mutmaßlichen Willen der Gesellschafterversammlung der GmbH ist anzunehmen, dass der die Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat betreffende Beschluss auch ohne die Übertragung der Ermächtigung zur Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auf den Aufsichtsrat gefasst worden wäre. Denn die Übertragung dieser Ermächtigung ist lediglich ein nachrangiger Teilaspekt zu dem der Beschlusslage zu entnehmende Willen der Gesellschafterversammlung, einen Aufsichtsrat einzurichten, durch die Wahl seiner Mitglieder in Vollzug zu setzen und ihm die Überwachungspflicht und die Personalkompetenz zuzuweisen. Die Gesellschafterversammlung hätte die für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats notwendige Kompetenzzuweisung auch ohne den unterstellt nichtigen Teil der Übertragung der Befreiungsermächtigung beschlossen und nicht insgesamt davon abgesehen, den Aufsichtsrat durch eine Aufgabenzuweisung arbeitsfähig zu machen. Umstände, die eine andere Auslegung des Gesellschafterwillens begründen könnten, sind nicht ersichtlich.


Urteil vom 2. Juli 2019 – II ZR 406/17

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