Der Bundesgerichtshof hatte sich aktuell mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen der Anbieter das Gebot eines Interessenten auf der Internetplattform eBay streichen darf, ohne sich diesem gegenüber schadenersatzpflichtig zu machen.
Im hier entschiedenen Fall bot der beklagte Verkäufer Anbieter auf der Internetplattform eBay einen Jugendstil-Gussheizkörper zu einem Startpreis von 1 € an. In den zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es auszugsweise: „§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […] „
Der Anbieter beendete drei Tage nach Beginn der Auktion diese unter Streichung aller Angebote vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von – wie er vorgetragen hat – 112 € der Höchstbietende. Der Anbieter verweigerte die Übergabe des Heizkörpers an den Höchstbietenden und begründete dies ihm gegenüber mit der – bestrittenen – Behauptung, er habe die Auktion deswegen abbrechen müssen, weil der Heizkörper nach Auktionsbeginn zerstört worden sei. Später hat der Anbieter geltend gemacht, er habe inzwischen erfahren, dass der Höchstbietende zusammen mit seinem Bruder in letzter Zeit 370 auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen habe. In Anbetracht dieses Verhaltens sei er zur Streichung des Gebots des Höchstbietenden berechtigt gewesen. Dieser behauptet nun seinerseits, er hätte den Heizköper zum Verkehrswert von 4.000 € verkaufen können und verlangt mit seiner Klage vom Anbieter diesen Betrag abzüglich der von ihm gebotenen 112 €, mithin also 3.888 €.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen vor dem Amtsgericht Perleberg und dem Landgericht Neuruppin keinen Erfolg. Das Landgericht Neuruppin hat dabei die Ansicht vertreten, dass wegen der zahlreichen Angebotsrücknahmen objektive Anhaltspunkte für eine „Unseriösität“ des Höchstbietenden bestünden. Der Anbieter habe deshalb dessen Angebot streichen dürfen, so dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Es reiche aus, dass ein Grund für die Streichung des Angebots vorhanden gewesen sei; der Verkäufer müsse den Grund für die Streichung weder mitteilen noch müsse dieser überhaupt ursächlich für die Streichung geworden sein. Die hiergegen gerichtete Revision des Käufers hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg, der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht Neuruppin:
Das Angebot eines eBay-Anbieters ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dahin auszulegen, dass es (auch) unter dem Vorbehalt steht, unter bestimmten Voraussetzungen ein einzelnes Gebot eines potentiellen Käufers zu streichen und so einen Vertragsschluss mit diesem Interessenten zu verhindern. Das kommt – neben den in den Auktionsbedingungen ausdrücklich genannten Beispielen – auch dann in Betracht, wenn gewichtige Umstände vorliegen, die einem gesetzlichen Grund für die Lösung vom Vertrag (etwa Anfechtung oder Rücktritt) entsprechen.
Derartige Gründe hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Soweit es darauf abstellt, dass der Höchstbietende und sein Bruder innerhalb von sechs Monaten 370 Kaufgebote zurückgenommen hätten, mag das ein Indiz dafür sein, dass nicht in allen Fällen ein berechtigter Grund für die Rücknahme bestand. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Höchstbietenden um einen unseriösen Käufer handelt, der seinen vertraglichen Pflichten – also vor allem seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises im Fall einer erfolgreichen Ersteigerung – nicht nachkommen würde, ergibt sich daraus jedoch nicht, zumal der Verkäufer bei einer eBay Auktion bei der Lieferung des Kaufgegenstandes nicht vorleistungspflichtig ist, sondern regelmäßig entweder gegen Vorkasse oder Zug-um-Zug bei Abholung der Ware geliefert wird.
Anders als das Landgericht Neuruppin befand der Bundesgerichtshof darüber hinaus, dass ein Grund für das Streichen eines Angebots während der laufenden Auktion nicht nur vorliegen, sondern hierfür auch ursächlich geworden sein muss. Hieran fehlte es aber, weil nach dem Vortrag des Anbieters für die Streichung des Gebots nicht ein Verhalten des Höchstbietenden, sondern die (bestrittene) Zerstörung der Ware ausschlaggebend gewesen war.
Bei der erneuten Verhandlung der Sache wird das Landgericht Neuruppin deshalb der Frage nachzugehen haben, ob der Heizkörper innerhalb der Auktionsfrist unverschuldet zerstört wurde und der Anbieter deshalb zur Streichung seines Angebots berechtigt war.
Quelle: rechtlupe.de; BGH Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 284/14