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Die Freistellung im Aufhebungsvertrag

Wird ein Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich bezahlt von der Arbeit freigestellt, so ist auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers sein anderweitig erzielter Verdienst grundsätzlich anzurechnen. Dies gilt jedoch nicht für die Tage, an denen die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt und damit den (Teil-)Urlaubsanspruch (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG) erfüllt hat.

Der Arbeitnehmer hat außerhalb der Zeiten der Urlaubsgewährung Anspruch auf Vergütung aus dem Aufhebungsvertrag. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB scheidet aus, weil sich die Arbeitgeberin in dieser Zeit nicht in Annahmeverzug befunden hat. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung hat die Aufhebung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bei gleichzeitiger Befreiung der Arbeitgeberin von der Beschäftigungspflicht bewirkt. Mangels Arbeitspflicht des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeberin im Streitzeitraum eine hierauf bezogene Gläubigerstellung gefehlt. Ein Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB konnte somit nicht begründet werden.

Die vertraglich vereinbarte Freistellung von der Arbeitspflicht unterscheidet sich insoweit von der einseitig vom Arbeitgeber erklärten Freistellung des Arbeitnehmers. Hierin ist regelmäßig die Erklärung zu sehen, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung werde abgelehnt. Durch diese Erklärung gerät der Arbeitgeber gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, denn die einseitige Freistellung von der Arbeit ist, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, als wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit nach Hause schickt, weil er ihn nicht mehr beschäftigen will. Dann bedarf es regelmäßig keines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Freistellung erkennen lässt, unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bereit zu sein. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wird in einem solchen Fall durch § 615 Satz 1 BGB mit der Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB aufrechterhalten.

Die Parteien haben die Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers konkludent vereinbart. Das ergibt im hier entschiedenen Fall die (ergänzende) Auslegung des Aufhebungsvertrags, der dahin zu verstehen ist, dass der Arbeitnehmer das Recht hat, abweichend von der geltenden Kündigungsfrist mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin auszuscheiden. Kommt er dem bei Aufnahme einer anderen Tätigkeit jedoch nicht nach, ist der Aufhebungsvertrag ergänzend dahin auszulegen, dass der in dem neuen Arbeitsverhältnis erzielte Verdienst auf das von der Arbeitgeberin geschuldete Arbeitsentgelt anzurechnen ist.

Im vorliegenden FAll kam der Aufhebungsvertrag zustande, nachdem zunächst zwei Vertragsentwürfe von Seiten des Arbeitnehmers vorgelegt und sodann Verhandlungen der Parteien auch über die Höhe der Sprinterprämie geführt wurden. Es handelt sich daher um eine Individualvereinbarung. Diese ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Die Auslegung derartiger atypischer Willenserklärungen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat. Zu den einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Auslegungsgrundsätzen gehört, dass gemäß § 133 BGB bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt, sondern auch die Interessenlage der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den Blick nimmt. Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hält die im vorliegenden Fall in der Vorinstanz erfolgte Auslegung des Aufhebungsvertrags durch das Landesarbeitsgeicht Hamm einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:

Das Landesarbeitsgericht hat seiner Auslegung im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde gelegt, dass der Aufhebungsvertrag keine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes in der Zeit der bezahlten Freistellung enthält. Es hat aber im Folgenden bei seiner Willenserforschung insbesondere den mit der Vereinbarung verfolgten Zweck und die Interessenlage der Parteien, wie sie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Vereinbarung ergeben, nicht genügend berücksichtigt.

Die Regelung über die unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung aller noch bestehender Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben und Fortzahlung des monatlichen Bruttoentgelts iHv. 9.676,00 € in Ziff. 2 ist im Zusammenhang mit Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags auszulegen. Danach erhält der Arbeitnehmer das Recht, vor Ablauf des vereinbarten Beendigungsdatums, dem 30.04.2019, durch schriftliche Erklärung gegenüber der Arbeitgeberin mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. In diesem Fall soll für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Abfindung iHv.02.690,00 € brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag iHv. 90,00 € brutto entstehen. Mit dieser Regelung in Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags haben die Parteien ein Sonderkündigungsrecht des Arbeitnehmers vereinbart, das diesem das Recht einräumt, mit einer kürzeren als der für das Arbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin auszuscheiden. Insoweit ist es mit dem in § 12 Satz 1 KSchG geregelten Sonderkündigungsrecht vergleichbar.

Soweit das Landesarbeitsgericht dieser Klausel entnimmt, die Parteien hätten dem Arbeitnehmer lediglich die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung eingeräumt, jedoch nicht die Pflicht, im Falle des Antritts einer Anschlussbeschäftigung das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin aufzulösen, würdigt es weder den Wortlaut noch Sinn und Zweck von Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags noch die Interessenlage der Vertragsparteien zum Zeitpunkt seines Abschlusses vollständig und zutreffend. Das Landesarbeitsgericht verkennt bei seiner Auslegung, dass sich das Recht, mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, nicht nur auf die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis zu beenden, bezieht, denn diese besteht für den Arbeitnehmer ohne jeden Grund. Entscheidend ist vielmehr, dass die Parteien dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt haben, abweichend von der im Vertragsverhältnis geltenden längeren Kündigungsfrist mit einer kurzen Frist von nur drei Werktagen das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Hiervon ausgehend ist der Sinn dieser Vereinbarung zu ermitteln. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, aus der geringen Abfindungshöhe ergebe sich, dass durch diese Vereinbarung einer vorzeitigen Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung entgegengewirkt werden sollte, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil sie in Widerspruch zu der weiteren Annahme des Berufungsgerichts steht, der Arbeitnehmer müsse sich den in einem neu begründeten Arbeitsverhältnis erzielten Verdienst nicht auf die Entgeltansprüche gegen die Arbeitgeberin anrechnen lassen. Dies würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer überhaupt keine Veranlassung gehabt hätte, das Arbeitsverhältnis durch Ausübung des vereinbarten Sonderkündigungsrechts zu beenden, denn bei Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses erhielte er zusätzlich zu dem im neuen Arbeitsverhältnis erzielten Arbeitsentgelt seinen Verdienst iHv. 9.676,00 € brutto von der Arbeitgeberin weitergezahlt und nicht nur für jeden vollen Monat des vorherigen Ausscheidens eine Abfindung iHv. lediglich rund 28 % des monatlichen Verdienstes (2.690,00 €). Letzteres ist auch unter Berücksichtigung der besonderen beitrags- und abgabenrechtlichen Behandlung der Abfindung deutlich weniger.

Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung führt somit dazu, dass der Arbeitnehmer lediglich dann, wenn er während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses bei einem Konkurrenzunternehmen in ein Arbeitsverhältnis eintreten wollte, von dem Sonderkündigungsrecht hätte Gebrauch machen müssen. Dass die Parteien nur diesen Gesichtspunkt bei der Regelung der Sprinterprämie im Blick hatten, erscheint angesichts des spezifischen Unternehmensgegenstandes der Arbeitgeberin – Entwicklung und Produktion von Komponenten und einbaufähigen Modulen für die Automobilindustrie – und der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit als Personalleiter fernliegend. Als Personalleiter war der Arbeitnehmer – anders als etwa ein Techniker oder Ingenieur – nicht auf eine Anstellung in Unternehmen dieser Branche beschränkt, wie schließlich auch die vom Arbeitnehmer neu aufgenommene Tätigkeit in einem Unternehmen, das nicht in Konkurrenz zur Arbeitgeberin steht, belegt. Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht gänzlich außer Acht gelassen.

Die Auslegung des Aufhebungsvertrags durch das Landesarbeitsgericht verletzt damit die sich aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsgrundsätze, weil sie einseitig die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt und die bei der Auslegung ebenso zu beachtende Interessenlage der Arbeitgeberin weitgehend ausblendet. Zudem berücksichtigt die Auslegung wesentliche tatsächliche Umstände nicht.

Das Bundesarbeitsgericht kann den Aufhebungsvertrag selbst auslegen, weil das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist.

Das vereinbarte Sonderkündigungsrecht des Arbeitnehmers ergibt aus Sicht der Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) nur dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin beabsichtigt, ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen. Durch die zu Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags getroffene Vereinbarung ist ihm die Möglichkeit eröffnet worden, in Abweichung von den geltenden Kündigungsfristen kurzfristig mit einer Frist von nur drei Werktagen aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Für diesen Fall haben die Parteien eine Kapitalisierung der Vergütung vereinbart. Die Parteien sind dabei offenkundig davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer nur dann von der Option Gebrauch macht, wenn er einen anderen entsprechend gut bezahlten Arbeitsplatz gefunden hat. Ein solches Verständnis berücksichtigt die Interessen beider Vertragsparteien angemessen, weil sie einerseits dem Arbeitnehmer Handlungsfreiheit und die freie Berufswahl bei finanzieller Absicherung belässt und andererseits dazu führt, dass die Arbeitgeberin durch die sie allein treffenden wirtschaftlichen Belastungen der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung nicht übervorteilt wird. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf ein doppeltes Gehalt, fehlen in dem Aufhebungsvertrag die erforderlichen Anhaltspunkte.

Die Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien in Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags nicht konkret vereinbart haben, zu welchen Zeiten die noch bestehenden Urlaubsansprüche durch Urlaubsgewährung erfüllt werden. Das ist unschädlich, weil die Parteien zu Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags vereinbart haben, dass der Arbeitnehmer vom 21.09.2018 bis zum 30.04.2019 unter Anrechnung aller noch bestehender Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts in Höhe von 9.676,00 € brutto unwiderruflich von der Arbeit bezahlt freigestellt wird. Damit sind die bestehenden Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllt worden. Die unterbliebene konkrete Festlegung des Urlaubszeitraums steht dem nicht entgegen, weil nach bisheriger Rechtsprechung der Arbeitnehmer, vorbehaltlich anderer Umstände, einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung durch den Arbeitgeber entnehmen kann, dass dieser es ihm überlässt, die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen.

Allerdings hat die Rechtsprechung auch bislang schon anerkannt, dass der Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen ein berechtigtes Interesse an der zeitlichen Festlegung des Urlaubszeitraums haben kann. Dieses Interesse kann beispielsweise daraus resultieren, dass er sein Verhalten während des Freistellungszeitraums daran ausrichten können möchte, ob ein etwaiger Zwischenverdienst der Anrechnung auf bestehende Entgeltansprüche unterliegt oder nicht. Darüber hinaus ist aber auch zu berücksichtigen, dass eine Urlaubserteilung ohne Festlegung des Urlaubszeitraums dann problematisch ist, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist außerordentlich kündigt oder der Arbeitnehmer – wie hier – in einem anderen Arbeitsverhältnis zeitweise anrechenbaren Verdienst erzielt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung oder Aufnahme der anderen Tätigkeit seinen Urlaub schon genommen hat. Wäre dies zu verneinen, stünde ihm nach der außerordentlichen Kündigung ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu. In Bezug auf den anrechenbaren Verdienst wäre der Urlaubszeitraum konkret zu bestimmen, weil während des Urlaubs trotz eines möglicherweise nach § 8 BUrlG urlaubsrechtswidrigen Erwerbs eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausscheidet. Diesen Schwierigkeiten hat der Arbeitgeber grundsätzlich durch eine konkrete Festlegung des Urlaubszeitraums zu begegnen. Hat er dies nicht ausdrücklich getan, ist nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung zu ermitteln, ob sich der Freistellungserklärung oder ‑vereinbarung die zeitliche Lage des Urlaubs entnehmen lässt.

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist zunächst mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin einen konkreten Urlaubszeitraum nicht ausdrücklich festgelegt hat. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob sich durch Auslegung der Freistellungsvereinbarung Anhaltspunkte für eine Festlegung des Urlaubszeitraums ergeben. In einem solchen Fall der unterlassenen Auslegung kann das Revisionsgericht die notwendige; vom Berufungsgericht nicht vorgenommene Auslegung selbst vornehmen, wenn dieses die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen. Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Maßgeblich für die Auslegung ist der Inhalt des Aufhebungsvertrags, weitere den Abschluss dieser Vereinbarung begleitende Umstände sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Hinreichende Anhaltspunkte für eine konkludente Festlegung der Urlaubszeit auf den Beginn der Freistellung ergeben sich im Streitfall daraus, dass die Parteien zu Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags eine Sprinterklausel vereinbart haben, die dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsrecht zum kurzfristigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin einräumt. In einer solchen Situation ist es unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen angemessen und naheliegend, von einer während der Zeit der Freistellung zeitlich vorrangigen Erfüllung des Urlaubsanspruchs auszugehen. Dieser soll wegen des mit ihm verbundenen Erholungszwecks zu Beginn der Freistellung erfüllt werden, weil die Parteien es offensichtlich als möglich angesehen haben, dass der Arbeitnehmer kurzfristig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Eine Verschiebung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs auf einen späteren Zeitpunkt würde den mit der Urlaubserteilung bezwecken Gesundheitsschutz gefährden, weil der Urlaub dann uU nicht mehr tatsächlich gewährt werden könnte. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer sein Annahmeverweigerungsrecht nicht mit dem Ziel verfolgen kann, die Urlaubserteilung überhaupt zu verhindern, um in den Genuss der Urlaubsabgeltung zu kommen. Dies wäre urlaubszweckwidrig, weil die Freistellung die Erholung des Arbeitnehmers sichern soll. Dieses Verständnis führt des Weiteren zu hinreichender Klarheit im Hinblick auf das Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs nach § 8 BUrlG. Ebenso ist damit klargestellt, zu welchen Zeiten – nämlich den Urlaubszeiten – keine Anrechnung anderweitigen Erwerbs erfolgt. Rechtlich erhebliche Interessen des Arbeitnehmers oder der Arbeitgeberin, die eine andere Festlegung des Urlaubszeitraums begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für den Ausgleich des noch offenen Zeitguthabens durch Freizeitnahme. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Abbau des Zeitguthabens auf dem Arbeitszeitkonto durch bezahlte Freistellung gegenüber der Urlaubserteilung vorrangig erfolgt und bereits mit der Freistellung im Jahre 2018 erfüllt worden ist. Anhaltspunkte für eine abweichende Vereinbarung ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien nicht.

Der Aufhebungsvertrag lässt offen, welche Rechtsfolge eintritt, wenn der Arbeitnehmer im Fall der Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin von der Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung keinen Gebraucht macht. Der Vertrag enthält insoweit eine planwidrige Regelungslücke.

Von einer Regelungslücke ist auszugehen, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Die Vertragslücke ist durch ergänzende Auslegung zu schließen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten.

Nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung der beiderseitigen Interessen hätten redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke die Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes des Arbeitnehmers vereinbart. Dafür spricht maßgeblich, dass die Parteien bei Vereinbarung der Sprinterklausel davon ausgegangen sind, der Arbeitnehmer könne eine andere Erwerbstätigkeit vor der vereinbarten Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2019 aufnehmen, würde dann aber sein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin unter Anwendung des Sonderkündigungsrechts beenden. Im Gegenzug sollte er eine nach Maßgabe von Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags zu berechnende Abfindung erhalten. Dem liegt wirtschaftlich betrachtet zugrunde, dass der Arbeitnehmer während der Zeit der bezahlten Freistellung bis zum 30.04.2019 grundsätzlich finanziell keine Nachteile erleiden sollte, solange er keine andere Beschäftigung aufnimmt. Damit haben die Parteien einerseits der Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers Rechnung getragen und andererseits wirtschaftlich bedacht, dass die Arbeitgeberin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von ihrer Entgeltzahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer befreit wird und hierfür dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich schulden soll. Wird dieser vereinbarte Ablauf und Ausgleich der Interessen nicht eingehalten, weil der Arbeitnehmer, ohne das bestehende Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin zu kündigen, eine neue Erwerbstätigkeit aufnimmt und hierdurch während der Freistellung zusätzlich anderweitigen Verdienst erzielt, stünde er finanziell besser, weil er eine doppelte Vergütung erhielte. Da aber erst die unwiderrufliche Freistellung dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet hat, anderweitigen Verdienst zu erzielen, er das für diesen Fall vertraglich eingeräumte Sonderkündigungsrecht aber nicht wahrgenommen hat, ist das vereinbarte Interessengefüge in Schieflage geraten. Rechtsfolgen sieht der Aufhebungsvertrag für diese Konstellation indes nicht vor. Er erweist sich insoweit als lückenhaft, weil nach dem ihm zugrundeliegenden Regelungsplan zur Verwirklichung eines angemessenen Ausgleichs der Interessen eine Regelung erforderlich ist. Diese Regelungslücke ist dergestalt zu schließen, dass eine Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes vorzunehmen ist. Durch dieses „zu-Ende-Denken“ des Aufhebungsvertrags wird wirtschaftlich wieder der Zustand hergestellt, der bis zur Aufnahme der neuen Erwerbstätigkeit bestand. Der Arbeitnehmer erleidet durch die Freistellung keine wirtschaftlichen Nachteile, er soll aber auch keine ungerechtfertigten Vorteile erzielen.

Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes scheidet aus, soweit die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr 2019 Urlaub gewährt hat. Zum Umfang dieses Teilurlaubsanspruchs fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, weshalb das Bundesarbeitsgericht in der Sache nicht endentscheiden kann und diese an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Der Arbeitnehmer hat nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30.04.2019 einen anteiligen Urlaubsanspruch erworben. Dem steht § 6 Abs. 1 BUrlG nicht entgegen. Der dort geregelte Ausschluss von Doppelansprüchen kommt nur zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und anschließend im selben Kalenderjahr ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Dann wird der Urlaubsanspruch im neuen Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn Urlaubsansprüche schon im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind und im neuen Arbeitsverhältnis kein Anspruch auf eine höhere Anzahl von Urlaubstagen entsteht. Eine analoge Anwendung des § 615 Satz 2 BGB in Bezug auf die für das Jahr 2019 entstandenen Urlaubansprüche scheidet gleichfalls aus. Diese ist vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nach einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber eingeht und er die Pflichten aus diesem neuen Arbeitsverhältnis nur erfüllen kann, weil er nach Ablauf der Kündigungsfrist vom bisherigen Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt wird. Unter diesen Voraussetzungen muss er sich, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung später festgestellt wird, den vom neuen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf den im gekündigten Arbeitsverhältnis entstandenen Urlaub anrechnen lassen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Ob diese Grundsätze auch dann zu gelten haben, wenn der Arbeitnehmer im Lauf der Freistellung Urlaub von einem neuen Arbeitgeber erhalten hat, bedarf keiner Entscheidung, weil der Arbeitnehmer in dem neuen Arbeitsverhältnis bis zum 30.04.2019 die Wartezeit des § 4 BUrlG noch nicht erfüllt hatte.

Den erworbenen Teilurlaubsanspruch hat die Arbeitgeberin nach den Vereinbarungen der Parteien in Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags unmittelbar zu Beginn des Kalenderjahres 2019 erfüllt. Während der Zeit der Urlaubsgewährung erfolgt keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes. Das Landesarbeitsgericht hat den Umfang des anteiligen Urlaubsanspruchs für das Kalenderjahr 2019 festzustellen. Die Klage ist in Höhe des sich daraus ergebenden Urlaubsentgeltanspruchs (§§ 1, 11 BUrlG) begründet.


Quelle: BAG, Urteil vom 23. Februar 2021 – 5 AZR 314/20