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Beschlüsse der Betriebsräte per Video- oder Telefonkonferenz

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten vorsorglich darauf hinweisen, dass die Bundesregierung am 08.04.2020 im Kabinett eine Formulierungshilfe zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes beschlossen hat. Die Änderungen sollen noch im April durch die Regierungsfraktion im Rahmen des Verfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung im Bundestag eingebracht und verabschiedet werden.

Betriebsräte fassen Beschlüsse in Betriebsratssitzungen (vgl. § 30 BetrVG). Das Bundesarbeitsgericht hat noch nicht entschieden, ob dies ein persönliches Zusammenkommen der Betriebsratsmitglieder verlangt. Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass Betriebsratssitzungen im Wege von Telefon- oder Videokonferenzen unzulässig und so gefasste Beschlüsse unwirksam seien. Begründet wird dies mit dem Anwesenheitserfordernis bei der Abstimmung (§ 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG) und dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen (§ 30 S. 4 BetrVG).

Der Gesetzgeber hat bisher nur für den Europäischen Betriebsrat eine Regelung getroffen. Danach kann die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Betriebsrats mittels modernen Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn es sich um Besatzungsmitglieder von Seeschiffen handelt, die sich auf See oder in einem ausländischen Hafen befinden (§ 41a EBRG).

Es gibt jedoch eine „Überbrückungslösung“, die Telefon- oder Videokonferenzen auch jetzt zu nutzen:

Beide Parteien schließen eine Betriebsvereinbarung oder eine Regelungsabrede ab. Darin vereinbaren sie, dass Betriebsratssitzungen nach dem Willen der Betriebsparteien (zumindest) für den Zeitraum der Ausgangsbeschränkungen in Form von Videokonferenzen (einschließlich online-gestützter Anwendungen, z.B. Webex oder Skype), ggf. auch Telefonkonferenzen, möglich und Beschlüsse in solchen Sitzungen wirksam sind.

Geht man davon aus, dass das Betriebsverfassungsgesetz Präsenzsitzungen vorschreibt, wäre eine derartige Vereinbarung allerdings unwirksam. Deshalb sollte zusätzlich vereinbart werden, dass sich die Betriebsparteien (im Nachhinein) nicht auf die Unwirksamkeit von solchen Betriebsratsbeschlüssen berufen; außerdem, dass der Betriebsrat nicht (im Nachhinein) die Durchführung von Maßnahmen verhindert, denen solche Betriebsratsbeschlüsse zugrunde liegen. Schließlich empfiehlt sich eine Verpflichtung des Betriebsrats, Betriebsratsbeschlüsse, die auf dem Weg „moderner Technik“ zustande gekommen sind, in einer Präsenzsitzung ihrem Inhalt nach zu bestätigen, sobald ein persönliches Zusammenkommen wieder möglich ist.

Eine Herausforderung besteht darin, dass der Abschluss der genannten Vereinbarung selbst wiederum voraussetzt, dass hierüber Beschluss in Präsenz gefasst wird.

Betriebsräte sollen nunmehr durch die Gesetzesänderung die Möglichkeit erhalten, Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenz zu fassen. Diese Regelung gilt befristet bis zum 31.12.2020. Ziel der Maßnahme ist es, die mit hohen Infektionsrisiken verbundenen Präsenzsitzungen möglichst zu vermeiden und gleichzeitig die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Belegschaftsvertretung sicherzustellen.

Damit bereits über diese Kommunikationsform gefasste Beschlüsse rechtswirksam bleiben, sollen nach jetzigem Erörterungsstand die Regelungen rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft treten.

Unterstellt, das Betriebsverfassungsgesetz wird in diesem Sinne geändert, wovon wir zurzeit ausgehen, können Betriebsräte (und Einigungsstellen) ab sofort auf Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenz verwiesen werden.

Nach jetzigem Erörterungsstand soll die Sonderregelung aus Anlass der Covid19-Pandemie als § 129 Betriebsverfassungsgesetz wie folgt gefasst werden:

  1. Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrates, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Abs. 1, Satz 3. gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer Ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.
  1. Für die Einigungsstelle und dem Wirtschaftsausschuss gilt § 1. Satz 1. und 2. entsprechend.
  1. Versammlungen nach den §§ 42, 53, und 71 können mittels audiovisueller Einrichtung durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.
  1. Die Sonderregelung nach den Absätzen 1-3 treten mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft.

Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen ebenfalls gerne zur Verfügung.

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