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Unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers

Ein unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers, der unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln ist, kann für die Zukunft grundsätzlich jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden; der Vertrag kann ausnahmsweise für die Zukunft als wirksam zu behandeln sein, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrags an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.

So auch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem die GmbH bei Abschluss des Anstellungsvertrags nicht durch den Aufsichtsrat und deshalb nicht wirksam vertreten war, weil diesem nach der Satzung der Abschluss von Anstellungsverträgen oblag. Eine satzungsmäßige Übertragung der grundsätzlich der Gesellschafterversammlung zustehenden Kompetenz zum Abschluss von Dienstverträgen mit Geschäftsführern auf den Aufsichtsrat ist rechtlich unbedenklich.

Unerheblich ist, dass Landrat G. Vorsitzender des Aufsichtsrats war. G. war vom Aufsichtsrat der GmbH nicht bevollmächtigt, den Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsführer abzuschließen. Der Aufsichtsrat der GmbH kann von seinem Vorsitzenden wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft in seinem Aufgabenkreis nicht bei der Willensbildung vertreten werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung einen Aufsichtsratsbeschluss vollziehen und dabei den Aufsichtsrat vertreten, aber nicht vor einem Beschluss des Aufsichtsrats, dem nach der Satzung die Bestellung und Abberufung sowie Anstellung und Kündigung von Geschäftsführern obliegt, Verträge mit dem Geschäftsführer abschließen. Die Vertretung gegenüber dem Geschäftsführer ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss fasst. Diese Willensbildung fehlt, wenn stattdessen ein Mitglied allein tätig wird.

Der Anstellungsvertrag ist auch nicht deshalb wirksam zustande gekommen, weil G. ihn “für den Gesellschafter” geschlossen hat. Der Vertrag ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer durch Gesellschafterbeschluss legitimierten sog. punktuellen Satzungsdurchbrechung wirksam zustande gekommen.

Eine einen Einzelfall regelnde Satzungsdurchbrechung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Grundsatz auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung möglich, wenn sie sich auf eine punktuelle Regelung beschränkt, bei der sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpft. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob sich der Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrags durch ein unzuständiges Organ auf eine in diesem Sinne punktuelle Regelung beschränkt. Einen auch nur formlosen Vollversammlungsbeschluss gemäß § 48 Abs. 3, § 51 Abs. 3 GmbHG, wie hier allein in Betracht zu ziehen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch der Geschäftsführer hat sich nicht auf einen solchen Beschluss berufen. Er ergibt sich nicht schon aus dem Umstand, dass G. “für den Gesellschafter” gehandelt haben will. Eine derartige Beschlussfassung setzt mindestens voraus, dass der Wille des Gesellschafters deutlich genug zum Ausdruck kommt, in einer Gesellschaftsangelegenheit als oberstes Gesellschaftsorgan verbindlich zu entscheiden, und zwar mit Bindungswirkung für die Gesellschaft selbst und nicht etwa für den Gesellschafter.

Darüber hinaus hat der Geschäftsführer nicht dargelegt, dass G. den Landkreis als Alleingesellschafter, selbst wenn er dies gewollt hätte, bei der Fassung eines satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschlusses alleine vertreten konnte. Eine solche Vertretungsbefugnis G. folgte nicht schon aus seinem Amt als Landrat. Die bei Gründung der GmbH geltende LKrO Bbg sah in § 29 Abs. 2 Nr. 6 vor, dass dem Kreistag die Bestellung der Vertreter des Landkreises in wirtschaftlichen Unternehmen vorbehalten war. Die Satzung der GmbH in der bei Abschluss des Anstellungsvertrags gültigen Fassung setzte in § 8 Nr. 3 die Berufung mehrerer Vertreter des Gesellschafters in die Gesellschafterversammlung durch den Kreistag voraus. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der BbgKVerf vom 18.12 2007 vertritt zwar der Landrat den Landkreis in der Gesellschafterversammlung. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 3 bis 5 BbgKVerf kann der Kreistag aber weitere Vertreter bestimmen. Aus der in der Satzung vorgesehenen Berufung mehrerer Vertreter in die Gesellschafterversammlung ergab sich somit auch unter der Geltung der BbgKVerf das Erfordernis der Gesamtvertretung.

Unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis ist zwar der Vertrag für die Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers so zu behandeln, als wäre er wirksam zustande gekommen. Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage eines unwirksamen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds, ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam. Die Kenntnis G. als Vorsitzendem des Aufsichtsrats von der Einstellung des Geschäftsführers reichte danach aus, um rechtserhebliches Wissen der GmbH zu begründen.

Das Anstellungsverhältnis konnte aber für die Zukunft grundsätzlich jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden.

Dafür, die GmbH nach Treu und Glauben ausnahmsweise auch für die Zukunft an dem Anstellungsvertrag festzuhalten, genügt nicht, dass der Geschäftsführer auf Grundlage des Dienstvertrags für die GmbH seit mehreren Jahren unbefristet als Geschäftsführer tätig war. Denn bereits die sinngemäße Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis ist Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft.

Der Bundesgerichtshof hat zwar einen unwirksamen Anstellungsvertrag auch für die Zukunft als wirksam angesehen, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und durchgeführt haben und die Gesellschaft ihren Vertragspartner durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat. Hier haben die Vertragsparteien den unwirksamen Anstellungsvertrag vom 07.01.2010 aber schon nicht jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kam es vielmehr bereits im Verlauf des Jahres 2010 zu einem Streit zwischen dem Landrat R. und dem Geschäftsführer darüber, ob der im Januar 2010 geschlossene Vertrag wirksam ist. Auch hat die GmbH den Geschäftsführer nicht durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Anstellungsvertrags bestärkt. Auch kann die Befristung des Anstellungsvertrags bis zum 31.12 2014 nicht als weitere vertrauensbildende Handlung angesehen werden, weil die Befristung bereits in dem in Rede stehenden Vertrag enthalten war. Sonstige Handlungen der GmbH, die den Geschäftsführer in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Anstellungsvertrags aus Januar 2010 hätten bestärken können, sind nicht festgestellt. Insoweit kann insbesondere nicht der vorhergehende Anstellungsvertrag aus dem Jahre 2007 herangezogen werden, der als unbefristeter Vertrag zudem kein Vertrauen auf einen Fortbestand des Anstellungsverhältnisses bis zum 31.12 2014 begründen konnte.

Die GmbH ist auch nicht deswegen gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des Anstellungsvertrags vom 07.01.2010 zu berufen, weil mit G. ein Mitglied des Aufsichtsrats und Vertreter des Gesellschafters den Vertragsschluss zu verantworten hatte. Diese Argumentation verkennt, dass das Handeln eines unzuständigen Organs oder Organmitglieds gerade die Fehlerhaftigkeit des Anstellungsverhältnisses begründet. Diesem Umstand wird grundsätzlich bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass das Wissen schon eines Mitglieds des in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft als eigenes zugerechnet wird. Weitergehende Zurechnungsfolgen im Sinne einer Selbstbindung auch für die Zukunft kommen nur in Betracht, wenn das Scheitern des Anstellungsvertrags an dem förmlichen Mangel für den Dienstverpflichteten zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Feststellungen, die die Wertung rechtfertigen könnten, die sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses sei für den Geschäftsführer schlechthin untragbar, wurden im vorliegenden Fall aber nicht getroffen.


BGH, Urteil vom 20. August 2019 – II ZR 121/16

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