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Akteneinsichtsrecht des Kommanditisten in der Insolvenz

Dem Kommanditisten kann Einsicht in die Akten des Insolvenzeröffnungsverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur gewährt werden, wenn er ein rechtliches Interesse hieran glaubhaft macht.

Stützt der Kommanditist sein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht auf eine mögliche Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB, so genügt es, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er entweder eine Einlage nicht vollständig erbracht oder Ausschüttungen von der Gesellschaft erhalten hat.

Das Akteneinsichtsrecht des Kommanditisten bestimmt sich § 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO.

Die Gewährung von Einsicht in die vom Insolvenzgericht geführten Verfahrensakten richtet sich, soweit nicht Spezialvorschriften wie § 66 Abs. 2, § 150 Satz 2, §§ 154, 175 Abs. 1 Satz 2, § 188 Satz 2, § 194 Abs. 3 Satz 1 oder § 234 InsO zur Anwendung kommen, über § 4 InsO nach der allgemeinen Vorschrift des § 299 ZPO.

Gemäß § 4 InsO, § 299 Abs. 1 ZPO können die Beteiligten die Verfahrensakten einsehen und sich aus ihnen Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Verfahrensbeteiligte des Insolvenzeröffnungsverfahrens sind grundsätzlich nur der (Insolvenz-)Schuldner und im Fall eines Fremdantrags der den Eröffnungsantrag stellende Gläubiger. Im Fall der Insolvenz einer Gesellschaft ist Schuldner im Sinne der Insolvenzordnung gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Gesellschaft selbst, handelnd durch die Vertretungsorgane. Dem nicht zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Kommanditisten steht ein Akteneinsichtsrecht nach § 4 InsO, § 299 Abs. 1 ZPO nicht zu.

Dem Kommanditisten kann im Insolvenzeröffnungsverfahren damit nur ein Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 2 ZPO zukommen. Nach dieser Vorschrift kann dritten Personen die Akteneinsicht ohne Einwilligung der Beteiligten nur gestattet werden, wenn ein rechtliches Interesse dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht die Bewilligung von Akteneinsicht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands des Gerichts.

Ein Akteneinsichtsrecht des Kommanditisten aus § 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Der Kommanditist hat ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

§ 299 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass persönliche Rechte des Kommanditisten durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand für die rechtlichen Belange des Kommanditisten von konkreter rechtlicher Bedeutung sein.

Aus der Kommanditistenstellung und den damit verbundenen Rechten und Pflichten im Insolvenz(eröffnungs)verfahren folgt für sich genommen noch keine Betroffenheit in eigenen Rechten im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO.

Bereits im Rahmen der werbenden Gesellschaft ist die Rechtsstellung des Kommanditisten gegenüber derjenigen des Komplementärs eingeschränkt. Gemäß § 164 Satz 1 HGB sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, diese geht über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinaus. Im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb steht dem Kommanditisten kein Stimmrecht, kein Widerspruchsrecht und kein Weisungsrecht gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu. Der Kommanditist muss sowohl die vom Komplementär eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft als auch deren konkrete prozessuale Durchsetzung durch den Komplementär als vertretungsberechtigten Gesellschafter grundsätzlich hinnehmen. Über das gemäß § 166 Abs. 1 HGB auf die Kontrolle des Jahresabschlusses beschränkte Einsichtsrecht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft hinaus hat der Kommanditist nur bei Vorliegen eines von ihm darzulegenden und glaubhaft zu machenden wichtigen Grundes gemäß § 166 Abs. 3 HGB ein auch Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs erfassendes außerordentliches Informationsrecht. Schließlich kann der Kommanditist mit der Leistung seiner Einlage seine Haftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB ausschließen; aber auch im Fall einer nicht geleisteten oder zurückgewährten Einlage haftet der Kommanditist gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nur begrenzt bis zur Höhe des noch offenen Einlagebetrags.

Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft sind mit der Stellung als Kommanditist nur eingeschränkte Rechte und Pflichten verbunden. Dem Kommanditisten steht jedenfalls im gesetzlichen Regelfall weder ein Antragsrecht nach § 15 InsO noch ein Widerspruchsrecht nach § 178 Abs. 1 InsO zu. Auch die Stellung der Anträge auf Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO und auf Einstellung des Verfahrens nach § 213 InsO sowie das Planinitiativrecht nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO stehen nur dem persönlich haftenden Gesellschafter, nicht aber dem Kommanditisten zu. Die im Insolvenzverfahren die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin treffenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 Abs. 2, § 20 InsO und Anwesenheits- und Bereitschaftspflichten nach § 97 Abs. 3, § 20 InsO sind ebenfalls nur von dem persönlich haftenden Gesellschafter zu erfüllen.

Ein Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 2 ZPO kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Kommanditist zu seiner Verteidigung gegen eine mögliche Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB Informationen aus der Insolvenzakte benötigt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn er gesellschaftsintern auf die Erhebung des Widerspruchs gegen festzustellende Forderungen hinwirken will oder wenn er sich auf Gutgläubigkeit nach § 172 Abs. 5 HGB beruft und hierzu Kenntnis darüber benötigt, ob und mit welchem Ergebnis Bilanzen der Gesellschaft für einzelne Jahre erstellt worden sind.

Zur Beantragung von Akteneinsicht ist es in den vorgenannten Fällen ausreichend aber auch erforderlich, dass der Kommanditist darlegt und glaubhaft macht, seine Einlage nicht vollständig erbracht oder Ausschüttungen von der Gesellschaft erhalten zu haben. Weitergehende Ausführungen zur Qualifizierung etwaiger Ausschüttungen als Einlagenrückgewähr im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB können von dem Kommanditisten demgegenüber nicht verlangt werden. Entsprechenden Vortrag hat der Kommanditist im hier entschiedenen Fall nicht gehalten.

Quelle: BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – IX AR(VZ) 2/19