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AGB-mäßige Forderungsfälligkeit erst nach 2 Monaten

Eine AGB-Klausel des Versenders im Frachtgewerbe in Bezug auf den Frachtlohnanspruchs gemäß § 407 Abs. 2 HGB mit dem Inhalt: „Forderungen des AN sind am letzten Tag des zweiten Folgemonats nach Rechnungseingang fällig“ ist im unternehmerischen Rechtsverkehr gemäß §§ 308 Nr. 1, 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Frachtführers unwirksam.

Der Schuldnerverzug nach § 286 I BGB setzt die Nichtleistung des Schuldners trotz eines wirksamen, fälligen und durchsetzbaren Anspruchs des Gläubigers voraus. Der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Frachtführerin auf Zahlung der vereinbarten Fracht aus § 407 II HGB stehen vorliegend keine Bedenken gegenüber. Hinsichtlich der maßgeblichen Fälligkeit des Anspruchs findet im Rahmen eines Frachtvertrages grundsätzlich die Regelung des § 420 I S. 1 HGB Anwendung, nach welcher die Fracht bei Ablieferung des Gutes zu zahlen ist. Die gesetzgeberische Intention des § 420 I S. 1 HGB ist es dabei, mit der Formulierung „bei Ablieferung“ die synallagmatischen Verknüpfung der Vertragspflichten, d.h. die Ortsveränderung des Gutes gegen Zahlung der Fracht, zum Ausdruck zu bringen. Hieraus ergibt sich, dass der Frachtführer das Transportgut nur Zug um Zug gegen Zahlung der Fracht abliefern muss. Mithin liegt der Fälligkeitszeitpunkt dogmatisch exakt eine logische Sekunde vor dem Zeitpunkt der vollständigen Ablieferung (§§ 407 Abs. 1420 Abs. 1421 Abs. 1, Abs. 2440 HGB; vergleiche Koller Transportrecht 8. Auflage § 420 Rn. 2), folglich unmittelbar vor dem Moment, in dem der Frachtführer seinen Gewahrsam beendet und das Gut dem Empfänger zur Verfügung stellt.

Die Parteien können zwar Vereinbarungen zur Fälligkeit der Fracht unter Abweichung von § 420 I S. 1 HGB frei treffen, grundsätzlich auch in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Fälligkeitsregelung des § 420 I S. 1 HGB stellt kein zwingendes Recht dar.

Zwar greift die Ansicht der Frachtführerin nicht durch, bei der Fälligkeitsregelung der Ziffer 8 handele es sich um eine überraschende Klausel. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden gem. § 305c I BGB dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. § 305c I BGB enthält folglich sowohl ein objektives als auch ein subjektives Element. Beide müssen kumulativ vorliegen. Der Sinn der Regelung besteht darin, das Vertrauen des Vertragspartners darauf zu schützen, dass die Bedingungen nicht gänzlich aus dem Rahmen fallen. Vorliegend erscheint es jedoch nicht als besonders ungewöhnlich, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Fälligkeitsregelung aufgenommen wird. Dabei muss auch Berücksichtigung finden, dass Ziffer 8 durch das drucktechnische Mittel des Fettdrucks besondere Hervorhebung erfahren hat. Folglich war weder das objektive, noch das subjektive Überraschungsmoment gegeben. Eine überraschende Klausel lag somit nicht vor.

Die Regelung gemäß Nr. 8, nach welcher Forderungen des Auftragnehmers am letzten Tag des zweiten Folgemonats nach Rechnungseingang (d.h. im Falle der Ablieferung zu Beginn eines Monats nach 90 Tagen ab Rechnungseingang) fällig sein sollten, stellt einen Verstoß gegen §§ 307308 Nr. 1 lit. a BGB dar.

Die vertragliche Fälligkeitsregelung hält einer nach § 307 III BGB angezeigten Inhaltskontrolle nicht stand. Gemäß § 310 I BGB findet die Regelung des § 308 Nr. 1 lit. a BGBauch auf Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung, die im unternehmerischen Rechtsverkehr Verwendung finden. § 308 Nr. 1 lit. a BGB stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Klauselverbots der Vereinbarung unangemessen langer Leistungsfristen aus § 308 Nr. 1 BGB für Zahlungs, Überprüfungs- und Abnahmefristen dar. Untersagt sind nach § 308 Nr. 1 lit. a BGBKlauseln, mit denen der Verwender sich eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung von Zahlungspflichten gegenüber seinem Vertragspartner ausbedingt. Dabei knüpft die Vorschrift an die unangemessene Benachteiligung an, wie sie Maßstab des § 307 I BGB ist und konkretisiert, wann im Zweifelsfall von einer unangemessen langen Zeit auszugehen ist. Die Frist beginnt regelmäßig ab Empfang der Gegenleistung. Sollte dem Schuldner zusätzlich nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugehen, berechnet sich die Frist ab deren Zugang. Zu beachten ist, dass § 308 BGB unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, bei deren Vorliegen eine Wertung im Einzelfall zu erfolgen hat. Die Wertung orientiert sich dabei an den Maßstäben des § 307 I S. 1, II BGB. Nach § 308 Nr. 1 lit. a BGB ist die Vereinbarung einer Zahlungsfrist nicht schlechthin unwirksam, da es sich bei den in § 308 BGB normierten Klauselvorbehalten, anders als bei denen des § 309 BGB, gerade um solche mit Wertungsmöglichkeit handelt. Folglich sind die widerstreitenden Interessen der Parteien abzuwägen, wobei die gesetzlichen Bewertungen einzubeziehen sind.

Vorliegend überwiegen die Interessen der Frachtführerin erheblich. Wie sich aus der Formulierung als Zweifelsfallregelung ergibt, wird im Rahmen des § 308 Nr. 1 lit. A BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Frist dem unternehmerischen Verwender auferlegt. Die ein Zwischenspeditionsunternehmen betreibende Versenderin vermag vorliegend jedoch nicht mit ihrer Argumentation durchzudringen, dass ihr aufgrund einer nur minimalen Gewinnmarge ein berechtigtes Interesse daran zukommt, dass sie nach der Durchführung eines von ihr beauftragten Transportes einen möglichst großen zeitlichen Spielraum benötigt, um den Transportvorgang zunächst mit ihrem Auftraggeber abzurechnen, bevor sie den im Verhältnis zum Frachtführer vereinbarten Frachtlohn an diesen ausbezahlt. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Gewinnmarge der Versenderin tatsächlich nur Euro 10, 00 pro ausgeführten Auftrag beträgt. Entscheidend muss vielmehr sein, dass eine Zahlungsfrist von bis zu 90 Tagen ab Rechnungseingang insbesondere kleinere und mittelständische Frachtführer unangemessen benachteiligen würde, da diese – vorleistungspflichtig – durch die tatsächliche Durchführung des Transportes ganz erhebliche Aufwendungen zu tätigen haben, welche weit über jene des lediglich vermittelnd tätig werdenden Zwischenspediteurs hinausgehen dürften. Insbesondere solche Unternehmen sähen sich einer unbilligen Existenzbedrohung ausgesetzt, wenn sie sich auf eine erst sehr viel später eintretende Fälligkeit einer Forderung verweisen lassen müssten und dies ohne ein verwertbares/durchsetzbares Pfandrecht zu haben.

Hinzu kommt das in diesen Fällen gesteigerte Risiko des Frachtführers, der Möglichkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Zwischenspediteurs innerhalb der 90 Tage. Dieses erscheint vorliegend zudem gesteigert, da die Versenderin selbst vorträgt, nur äußerst geringe Gewinnspannen zu haben. Zu beachten ist dabei, dass maßgebliches Kriterium der Vertragsautonomie das Recht der Parteien ist, sich den jeweiligen Vertragspartner auch unter dem Gesichtspunkt von dessen Zahlungsfähigkeit auszusuchen. Eine solche Entscheidung setzt jedoch voraus, dass es in absehbarer Zeit zu den gegenseitigen Leistungserbringungen kommen wird, da andererseits nur unzureichend abgeschätzt werden kann, ob die andere Partei in der Zukunft noch leistungsfähig sein wird. Aus §§ 271286 III BGB ergibt sich gerade die Intention des Gesetzgebers den gegenseitigen Leistungsaustausch zu beschleunigen und Schutz vor Leistungsverzug im Geschäftsverkehr zu gewährleisten. Letztlich wälzt die Versenderin das Risiko verspäteter Zahlungen ihrer Auftraggeber durch weitreichende Ausweitung der Fälligkeit auf den beauftragten Frachtführer ab.

Auch ausgehend von der Zweifelsfallregelung des § 308 Nr. 1 lit. a Hs. 2 BGBvermag das Amtsgericht nicht zu erkennen, dass die vorliegend vereinbarte Frist von bis zu 90 Tagen angemessen ist. Hieran vermag auch die Kenntnis der Frachtführerin von der Stellung der Versenderin als Zwischenspediteurin nichts zu ändern, da ihr auch bei Kenntnis dieses Umstandes zwar bewusst sein muss, dass es aufgrund der komplexen Situation beim Zwischenspeditionsgeschäft in Ausnahmefällen zu Verzögerungen bei der Zahlung kommen kann, etwa wenn der Auftraggeber der Versenderin gegenüber dieser Probleme bei der Durchführung des Transports geltend macht, jedoch muss sie sich nicht darauf verweisen lassen, dass sie den ihr zustehenden Lohn erst erhält, wenn die Versenderin ihrerseits vergütet wurde. Das streitbefangene Vertragsverhältnis besteht vielmehr einzig zwischen der Frachtführerin und der Versenderin und ist dabei als unabhängig von der zwischen der Versenderin und ihrem Auftraggeber bestehenden vertraglichen Beziehung zu sehen. Der Zeitpunkt der Zahlung des Auftraggebers der Versenderin findet folglich seine Grundlage in einem anderen Vertragsverhältnis, dessen Auswirkungen es nicht vermögen können, sich in einem solch durchgreifenden Umfang auf das Verhältnis zwischen der Frachtführerin und der Versenderin niederzuschlagen.

Bei der im Rahmen des § 308 Nr. 1 lit. a BGB anzustellenden Interessenabwägung ist des Weiteren auch die gesetzgeberische Bewertung zu berücksichtigen. Nach § 271a I BGB ist eine individualvertragliche Vereinbarung, nach welcher der Gläubiger die Erfüllung einer Entgeltforderung erst nach mehr als 60 Tagen nach Empfang der Gegenleistung verlangen kann nur wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist. Geht dem Schuldner dabei nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zu, tritt der Zeitpunkt des Zugangs dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung an die Stelle des in § 271a I S. 1 BGB genannten Zeitpunkts des Empfangs der Gegenleistung. Individualvertragliche Vereinbarungen über den Eintritt des Verzugs sind mithin nur zulässig, wenn sie die in § 271a BGB vorgesehenen Fristen nicht überschreiten. Treffen die Parteien eine von § 286 III BGB abweichende Verzugsregelung, ist dies nur unbedenklich, wenn die Frist 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung nicht überschreitet. Ansonsten gilt der Maßstab der Billigkeit nach § 271a I S. 1 BGB9. Ob Unbilligkeit anzunehmen ist, hängt dabei von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab, in welche Erwägungen über die Art der Dienstleistung sowie die Überlegung einfließen muss, ob der Schuldner einen objektiven Grund, d.h. ein berechtigtes Interesse an der Ausdehnung hat10. Mithin kann auch hier nichts anderes als im Rahmen der Interessenabwägung nach § 308 Nr. 1 lit. a BGB gelten. Dabei ist zu beachten, dass die Frist des § 308 Nr. 1 lit. a BGB von 30 Tagen lediglich der Hälfte der in § 271a I BGB vorgesehenen Frist entspricht. Der Gesetzgeber weicht damit im Falle einer Vereinbarung im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen ganz bewusst von der für Individualvereinbarungen festgelegten Frist ab, indem er strengere Vorgaben anlegt. Vorliegend handelt es sich bei Ziffer 8 der Geschäftsbedingungen der Versenderin um eine Regelung, durch welche der Fälligkeitszeitpunkt auf bis zu 90 Tage ab Rechnungseingang hinausgeschoben wird. Mithin zeigt sich, dass selbst wenn eine entsprechende Vereinbarung im Wege individualvertraglicher Abrede getroffen worden wäre, Vieles für deren Unwirksamkeit sprechen würde. Gleiches muss mithin erst Recht für eine im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen getroffene Vereinbarung gelten.

Dieses Ergebnis wird auch durch die Normrichtung des § 286 III BGB gestützt, dessen Intention insbesondere der Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmer vor Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist. Nach § 286 III BGB soll der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens dann in Verzug kommen, wenn er nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Aufstellung leistet. Ziffer 8 der vorliegenden Vertragsbedingungen der Versenderin weicht ganz erheblich von diesen gesetzlichen Vorgaben ab, indem sie das Zahlungsziel um bis das Dreifache der gesetzlichen Verzugsfrist hinausschiebt. Durch die Verlagerung des Fälligkeitszeitpunktes kommt es damit zu einer Verschiebung des Eintritts des Verzuges.

Die in den Geschäftsbedingungen enthaltene Fälligkeitsregelung von (bis zu) fast neunzig Tagen, verlässt damit den Bereich einer noch angemessenen Fristgestaltung.

Die Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung bewirkt, dass gemäß 306 I, II BGB die gesetzliche Fälligkeitsregelung aus § 420 I S. 1 HGB an die Stelle der unwirksamen Klausel tritt, folglich Verzug nach Maßgabe des § 286 III S. 1 Hs. 1 BGB eintritt. Bei der hier erst nach über 2 Monaten erfolgten Zahlung der Versenderin sowie der kurze Zeit später erfolgten Zahlung des Restbetrages, befand sich die Versenderin damit bereits in Verzug. Ein Schuldner, der erst nach Eintritt des Verzuges leistet, gibt Veranlassung zur Klage.

Die Versenderin hatte die verspätete Zahlung auch i.S.d. § 280 I S. 2 BGB zu vertreten. Die Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwaltes nach Verzugseintritt sind des Weiteren als Position des Verzugsschadens gemäß § 249 BGB erstattungsfähig. Dies gilt umso mehr, als das vorliegend die Frachtführerin die Versenderin zunächst selbst zur Zahlung aufgefordert hatte. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurden auch durch den Verzug der Versenderin adäquat verursacht. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286288 I BGB.


Quelle: rechtslupe.de; AG Mannheim, Urteil vom 22. Juli 2015 – 10 C 169/15