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Abfindungsanspruch und die Wirksamkeit des Ausschlusses

Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.

Der Kläger war Gesellschafter einer GbR (Holding), nach deren Gesellschaftsvertrag Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Gesellschafterbeschluss mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen werden konnten. Der Gesellschaftsvertrag bestimmte weiter, dass ausscheidende Gesellschafter als Abfindung den Saldo ihrer Kapitalkonten (zahlbar drei Monate nach dem Ausscheiden) zuzüglich ihres Anteils am Unternehmenswert der Tochtergesellschaft erhalten, letzterer zahlbar in vier gleichen Jahresraten. Bei einer Ausschließung sollte nur die Hälfte des Unternehmenswertes der Tochtergesellschaft berücksichtigt werden.
Im Jahr 2009 beschloss die Gesellschafterversammlung der GbR die Ausschließung des Klägers. Das LG stellte die Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses fest. Das KG wies die dagegen gerichtete Berufung zurück, weil die Einberufungsfrist zur Gesellschafterversammlung nicht eingehalten worden sei. Nachdem der BGH (ZIP 2014, 1019) dieses Urteil kassiert hatte, wies das KG im Jahr 2015 die Klage gegen den Ausschließungsbeschluss ab, stellte also die Wirksamkeit der Ausschließung fest. In demselben Jahr erhob der Kläger Klage gegen die GbR auf Zahlung der Abfindung und weitergehende Auskünfte. Die beklagte GbR erhob die Einrede der Verjährung, woraufhin das LG die Klage abwies und das KG die dagegen gerichtete Berufung zurückwies. Der Abfindungsanspruch sei 2009 entstanden und daher mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Die vom BGH zugelassene Revision hatte Erfolg.

Im Anschluss an die Rspr. des RG und des BGH zur selbständigen Verjährung von Stammrechten geht der BGH (Tz. 9) zunächst davon aus, dass die Fälligkeit der ersten Rate nicht nur diese, sondern den gesamten Abfindungsanspruch als einheitlichen Gesamtanspruch i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstehen lässt. Die für den Verjährungsbeginn gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB weiter erforderliche Kenntnis muss nur in Bezug auf die anspruchsbegründenden Umstände vorliegen, deren zutreffende rechtliche Würdigung ist nicht erforderlich. Eine Ausnahme gilt aber, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Der BGH leitet hieraus als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn die Zumutbarkeit der Klageerhebung her (Tz. 11). Der BGH hält nun auch die Erhebung einer Klage auf Zahlung der Abfindung grds. für unzumutbar, solange über die Klage gegen die Ausschließung nicht entschieden ist:

  • Die Beurteilung der Wirksamkeit einer Ausschließung erfordert eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden und eines etwaigen Fehlverhaltens des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters. Das Ergebnis dieser Abwägung ist auf für Rechtskundige häufig nur schwer vorhersehbar. Die hierdurch auftretende Ungewissheit über die Wirksamkeit des Ausschlusses steht wertungsmäßig einer Tatsachenunkenntnis des Abfindungsgläubigers gleich. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Wirksamkeit der Ausschließung nicht im Streit steht oder so offensichtlich ist, dass der betroffene Gesellschafter keine begründeten Zweifel an der Wirksamkeit der Ausschließung haben durfte (Tz. 14).
  • Der ausgeschlossene Gesellschafter, der – wenn der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt – mit seiner Klage gegen die übrigen Gesellschafter die Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses begehren muss, könnte zwar von den Beklagten, die für eine Abfindung analog § 128 HGB haften, hilfsweise deren Zahlung verlangen oder auch der Gesellschaft den Streit verkünden. Dies ist dem betroffenen Gesellschafter aber nicht zuzumuten, da er hierbei seinen Standpunkt aufgeben müsste, nicht wirksam ausgeschlossen worden zu sein (Tz. 13, 19 f.). Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Wirksamkeit des Ausschlusses offensichtlich ist und der ausgeschlossene Gesellschafter diese ohne tragfähigen Grund in Frage stellt (Tz. 23).

Quelle: BGH, Urteil vom 27.10.2020, II ZR 150/19