• Adresse: Seilfahrt 101, D-44809 Bochum
  • Telefon: +49-234 588 2355
  • eMail: info(at)goormann-varga.eu

Blog

Zur Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters

Ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageschuld auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, haftet, soweit die (später fällig gewordene und nicht erfüllte) Stammeinlage auf den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters nach dessen Ausschluss im Wege der Kaduzierung weder von den Zahlungspflichtigen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, grundsätzlich für diese Fehlbeträge nicht.

Dies gilt auch, wenn er durch Übertragung seines Geschäftsanteils auf den später mit seinem eigenen Geschäftsanteil kaduzierten Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

Der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter haftet nicht nach § 22 GmbHG, weil er in Beziehung zu dem kaduzierten Geschäftsanteil kein Rechtsvorgänger im Sinne dieser Vorschrift ist.

Nach § 22 Abs. 1 GmbHG haftet für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung der Gesellschaft auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. Rechtsvorgänger im Sinne des § 22 GmbHG ist nur derjenige, bei dem diese Voraussetzungen vor der Kaduzierung nach § 21 GmbHG in Bezug auf den später kaduzierten Geschäftsanteil gegeben sind. Das war bei dem bereits ausgeschiedenen Mitgesellschafter niemals der Fall.

Der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter haftet nicht nach § 24 GmbHG, weil er kein übriger Gesellschafter im Sinne dieser Vorschrift ist.

Nach § 24 GmbHG haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag aufzubringen, soweit eine Stammeinlage im Kaduzierungsverfahren weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen, noch durch den Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann. Übriger Gesellschafter im Sinne des § 24 GmbHG ist derjenige, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Stammeinlagerate noch Gesellschafter ist.

Der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter war im Zeitpunkt der Fälligkeit der gegen seinen Mitgesellschafter gerichteten Einlageforderung nicht mehr Gesellschafter der Schuldnerin. Die Satzung der Schuldnerin enthielt keine Fälligkeitsbestimmung. Der Restbetrag der Einlage wird in Ermangelung einer abweichenden Satzungsbestimmung erst dann fällig, wenn die Gesellschafter deren Einforderung beschließen (§ 46 Nr. 2 GmbHG) und der Geschäftsführer den Betrag einfordert. Einen Einforderungsbeschluss für die noch offene Resteinlageforderung haben die Gesellschafter der Schuldnerin nicht gefasst.

Der Insolvenzverwalter der GmbH kann die noch offene, bislang nicht fällig gestellte Einlage selbst einfordern, ohne dass es dazu einer Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 2 GmbHG bedarf. Der Insolvenzverwalter ist auch nicht durch etwaige statutarische Fälligkeitsbestimmungen an der Einforderung gehindert. Der Insolvenzverwalter hat die Resteinlage von C. S. im November 2010 eingefordert. Der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter hatte seinen Geschäftsanteil bereits am 27.01.2009 auf seinen Mitgesellschafter übertragen.

Der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter haftet nicht als Rechtsvorgänger in Beziehung zu dem von ihm auf den kaduzierten Gesellschafter übertragenen Geschäftsanteil von 2.500 € für eine diesen wegen der Kaduzierung seines eigenen Geschäftsanteils von 22.500 € treffende Ausfallhaftung nach den §§ 2224 GmbHG.

Der kaduzierte Gesellschafter haftet – zusätzlich zu seiner Haftung als mit dem kaduzierten Geschäftsanteil ausgeschlossener Gesellschafter nach § 21 Abs. 3 GmbHG – für die Rückstände auf den kaduzierten Geschäftsanteil nach § 24 GmbHG auch dann, wenn er über einen weiteren Geschäftsanteil neben dem kaduzierten Geschäftsanteil verfügt. Soweit von einzelnen Stimmen im Schrifttum eine Haftung des Kaduzierten nach § 24 GmbHG abgelehnt wird, befassen sie sich in diesem Zusammenhang nicht mit der Konstellation, dass ein Gesellschafter über mehrere Geschäftsanteile verfügt und (nur) einer davon kaduziert wird.

Diese den Kaduzierten als Inhaber eines nicht kaduzierten Geschäftsanteils treffende Ausfallhaftung trifft jedoch nicht einen Rechtsvorgänger in Beziehung zu dem nicht kaduzierten Geschäftsanteil7. Denn die Aufbringung von Fehlbeträgen nach § 24 GmbHG betrifft keine „nicht erfüllten Einlageverpflichtungen“ im Sinne des § 22 Abs. 1 GmbHG. Eine Kaduzierung wegen der verzögerten Aufbringung von Fehlbeträgen nach § 24 GmbHG findet nicht statt. Die an die Kaduzierung anknüpfende Haftung der Rechtsvorgänger erfasst nur diejenigen Einlageverpflichtungen, derentwegen die Kaduzierung betrieben werden kann.

Eine Ausnahme von dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass derjenige Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageforderung des Kaduzierten aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, nicht nach § 24 GmbHG haftet, ist auch nicht deshalb geboten, weil der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter seinen Geschäftsanteil auf seinen später mit seinem eigenen Geschäftsanteil kaduzierten Mitgesellschafter übertragen hat. Die in der Instanzrechtsprechung vereinzelt gebliebene Auffassung, dass nach dem Schutzzweck der § 24 Satz 1§ 16 Abs. 2 (Abs. 3 aF) GmbHG die Ausfallhaftung desjenigen Gesellschafters, der seinen Geschäftsanteil veräußere, dann nicht erlösche, wenn die Veräußerung gerade an denjenigen Mitgesellschafter erfolge, der seinen Geschäftsanteil noch nicht (vollständig) eingezahlt habe, wird im Schrifttum zu Recht abgelehnt.

Mit dem Schutzzweck des § 24 GmbHG lässt sich eine Haftung des seinen Geschäftsanteil vor Fälligkeit der Einlageschuld des Mitgesellschafters auf diesen übertragenden Gesellschafters nicht begründen. Die Vorschrift dient dem Schutz der Kapitalaufbringung, der es nicht rechtfertigt, vor Fälligkeit der Einlageforderung ausgeschiedene Gesellschafter für Fehlbeträge im Kaduzierungsverfahren haften zu lassen. Grundsätzlich haftet der Gesellschafter einer GmbH nur für die auf seinen Geschäftsanteil entfallende Einlage. Davon abweichend begründet § 24 GmbHG zwar eine Haftung für fremde Verbindlichkeiten, die sogar deutlich unproportional ausfallen kann, wenn, wie vorliegend, ein Gesellschafter mit einer kleinen Beteiligung für die Einlageschuld eines Gesellschafters mit einer größeren Beteiligung eintreten soll. Die Haftung ist aber subsidiär ausgestaltet; sie greift nur ein, soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen, noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann. Der Vorschrift des § 24 GmbHG kommt danach ein Ausnahmecharakter zu, der einer erweiternden Auslegung jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung entgegensteht.

Soweit nach § 24 GmbHG die übrigen Gesellschafter für Ausfälle im Kaduzierungsverfahren haften, lässt sich schon dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht entnehmen, dass hiervon auch ehemalige, vor Fälligkeit der fremden Einlageforderung ausgeschiedene Gesellschafter erfasst sein sollen. Im Schrifttum wird vielmehr einschränkend vertreten, dass sogar nur diejenigen haften sollen, die dann noch Mitgesellschafter sind, wenn nach Erschöpfung der Maßnahmen nach den §§ 21 bis 23 GmbHG die Haftung aus § 24 GmbHG geltend gemacht wird. Eine so weitgehende Einschränkung der Haftung nach § 24 GmbHG trägt dem Gesichtspunkt des Schutzes der Kapitalaufbringung und dem hiermit verknüpften Gläubigerschutz allerdings nicht hinreichend Rechnung. Danach ist es vielmehr geboten, auch diejenigen der Haftung nach § 24 GmbHG zu unterwerfen, die bei Eintritt der Fälligkeit der Einlageschuld des Mitgesellschafters, derentwegen das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde, Gesellschafter waren. Denn der Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrags entsteht in diesem Zeitpunkt aufschiebend bedingt durch den Eintritt der Voraussetzungen nach den §§ 21 bis 23 GmbHG. Damit wird verhindert, dass sich der Gesellschafter eines bereits – aufschiebend bedingt – entstandenen Anspruchs gezielt entledigt.

Eine weiter gehende Ausdehnung der bereits als hart empfundenen Haftung nach § 24 GmbHG ist dagegen nicht veranlasst. Die Gefahr, dass sich der Übertragende anderenfalls einer bereits entstandenen aufschiebend bedingten Zahlungspflicht gezielt entziehen könnte, ist bei einer Übertragung des Geschäftsanteils an den später mit seinem Geschäftsanteil kaduzierten Mitgesellschafter vor Fälligkeit der fremden Einlageschuld nicht gegeben, weil dann eine Zahlungspflicht noch nicht entstanden ist.

Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GmbHG (§ 16 Abs. 3 GmbHG aF) führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie regelt, soweit es den Veräußerer betrifft, nur den Fortbestand seiner Haftung für eigene Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß § 16 Absatz 1 Satz 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.

Anhaltspunkte für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dahin, dass der Veräußerer für fremde, im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht fällige Einlageschulden haften soll, sind nicht ersichtlich. Der Schutzzweck der Vorschrift, der darauf gerichtet ist, dass sich der Gesellschafter seiner Haftung für die fälligen, von ihm der Gesellschaft geschuldeten Einlageleistungen nicht durch Veräußerung seines Anteils entziehen können soll, verbietet eine Ausdehnung der Haftung des Veräußerers auf fremde Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, nicht fällig sind.

Ob eine Haftung des Gesellschafters, der vor Fälligkeit der fremden Einlageschuld, derentwegen ein Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde, aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn er seinen Geschäftsanteil rechtsmissbräuchlich an den später Kaduzierten übertragen hat, kann dahinstehen. Nach den – verfahrensfehlerfrei getroffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts liegt hier kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor. Die Annahme des Berufungsgerichts, dagegen spreche schon, dass zwischen der Veräußerung und der Insolvenz der Gesellschaft ein Zeitraum von knapp zwei Jahren gelegen habe, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Allein der Umstand, dass der bereits ausgeschiedene Mitgesellschafter seinen Geschäftsanteil für einen Euro an seinen Mitgesellschafter veräußert hat, lässt keinen gesicherten Schluss auf eine Krise der Gesellschaft zu. Anhaltspunkte für die fehlende Leistungsfähigkeit des Mitgesellschafters im Zeitpunkt der Veräußerung sind gleichfalls nicht festgestellt.


Quelle: BGH
BGH Urteil vom 19. Mai 2015 – II ZR 291/14