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Widerruf der Dienstwagenüberlassung aus wirtschaftlichen Gründen

Eine vorformulierte arbeitsvertragliche Klausel zum Widerruf einer Dienstfahrzeugüberlassung, die der Arbeitgeber bei mehreren Arbeitnehmern benutzt, unterliegt der AGB-Kontrolle.

Bei derartigen Klauseln handelt es sich um AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB.

Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts weicht von Rechtsvorschriften ab. Die Überlassung eines Firmenwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert, denn ohne den Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Privatnutzung eines Dienstwagens zu ermöglichen. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle.

Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts richtet sich nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGBkonkretisiert, sind auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.

Im hier vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall genügte der Widerrufsvorbehalt nicht den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB:

§ 308 Nr. 4 BGB stellt für die mögliche Rechtfertigung eines Leistungsänderungsrechts darauf ab, ob dieses unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Damit wird eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung verlangt. Die Zumutbarkeit eines Leistungsänderungsvorbehalts ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann. Erforderlich ist im Allgemeinen auch, dass die Klausel in ihren Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen gewährleistet. Der Sachgrund muss deshalb in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss. Bei den Widerrufsgründen muss somit zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Dabei ist zu beachten, dass der Verwender vorgibt, was ihn zum Widerruf berechtigen soll. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss – je nach Lage der Dinge – konkretisiert werden.

Diesem Transparenzgebot wird die Widerrufsklausel nicht gerecht. Die Angabe, dass der Arbeitnehmer “aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens” mit dem Entzug der Dienstwagengestellung rechnen muss, “sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist”, ist nach dem Gegenstand und Umfang des hier vereinbarten Änderungsvorbehalts nicht ausreichend. Die Anforderungen an die Angabe des Widerrufsgrundes stehen vielmehr in Abhängigkeit zur flexibilisierten Leistung.

Im Grundsatz hat der Arbeitgeber wegen der Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein anerkennenswertes Interesse daran, bestimmte Leistungen, insbesondere “Zusatzleistungen” flexibel auszugestalten. Dazu gehört auch die dem Arbeitnehmer eingeräumte Möglichkeit, ein überlassenes Dienstfahrzeug privat nutzen zu dürfen, wenn dadurch das Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht auf den Arbeitnehmer verlagert wird. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die arbeitsvertragliche Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen, eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag darstellt. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch für Privatfahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Die Arbeitnehmerin hat dies durch die Aufnahme der Regelung in der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag verdeutlicht. Die Anlage 1 beinhaltet das “aufgeschlüsselte Gehalt”. Wenn solche Leistungspflichten des Arbeitgebers unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, der auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung berücksichtigt. Dessen Erhaltungsinteresse wiegt bei dem Wegfall synallagmatischer Pflichten ungleich schwerer, als bei nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten, wie etwa Jubiläumszuwendungen, Beihilfen zu bestimmten Familienereignissen, oder solchen Pflichten, die die Umstände der Leistungserbringung betreffen. Die Privatnutzungsmöglichkeit des Firmenfahrzeugs wirkt sich zudem für den Arbeitnehmer täglich aus. Er ist ggf. gehalten, kurzfristig erhebliche Kosten für die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs aufzubringen und dieses zukünftig zu unterhalten.

Unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ist der vereinbarte Widerrufsvorbehalt inhaltlich zu weit gefasst. Selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders eine “negative” wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens als Widerrufsgrund annehmen wollte bliebe damit unklar, ob damit etwa eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, Verluste oder aber bereits ein Gewinnrückgang, rückläufige Umsätze oder ein Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens gemeint sind. Nicht jeder Grund, der die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens betrifft, ist ein anzu Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Für den Arbeitnehmer ist es typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung aus wirtschaftlichen Gründen hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen (Mietwagen, Fahrzeugpool etc.) nicht vorhanden sind. Dies in der Widerrufsklausel zu konkretisieren war der Arbeitgeberin zumutbar. Die hier zu beurteilende Klausel würde der Arbeitgeberin jedoch weitergehend die grundsätzliche Möglichkeit der Dienstwagenentziehung, etwa bei Verlusten oder bereits bei rückläufigen Gewinnen einräumen, ohne dass die Tätigkeit, für deren Ausübung der Dienstwagen benötigt wird, entfallen ist und ohne dass die Arbeitnehmerin von einer vorhandenen kostengünstigeren Alternative zu der bisherigen Dienstwagengestellung Gebrauch macht. Eine hinreichende Konkretisierung ist nicht dadurch erfolgt, dass die Klausel den Entzug des Dienstwagens nur erlaubt “sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist”. Mit dem Erfordernis der Zumutbarkeit ist lediglich der Wortlaut des § 308 Nr. 4 BGB wiederholt. Auch enthält die beispielhafte Aufzählung sachlicher Gründe in Bezug auf die hier allein fragliche wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens keine Konkretisierung.

Die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) rechtfertigen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keine Abweichung. Der nötigen Flexibilisierung wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Vertragsparteien auch in vorformulierten Vereinbarungen die Möglichkeit haben, die Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung unter einen Widerrufsvorbehalt zu stellen, wenn die typisierten Sachgründe für den Widerruf bereits in der Vertragsklausel benannt werden.

Der Widerruf des auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagens ist für den Arbeitnehmer nicht deswegen zumutbar, weil der Sachwert der privaten Nutzungsmöglichkeit weniger als 25 % seiner Gesamtvergütung – hier konkret unter Berücksichtigung des zuletzt zur Verfügung stehenden Fahrzeugs und der sogenannten 1%-Regelung ca. 6, 6% – beträgt und damit noch nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreift. Gibt es keinen sachlichen Grund für den Entzug des Dienstwagens, ist es für den Arbeitnehmer nicht hinnehmbar, auf Entgeltbestandteile zu verzichten, die unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen.

Es ist für die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle unerheblich, ob im vorliegenden Fall objektiv betrachtet am 06.06.2016 Widerrufsgründe vorlagen, die für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sind. Entscheidend ist, was der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung im Text der Vorbehaltsbestimmung zum Ausdruck gebracht hat. Bei der Angemessenheitskontrolle ist deshalb nicht auf die Gründe abzustellen, aus denen der Widerruf im konkreten Fall erfolgt, sondern auf die Möglichkeiten, die das vorformulierte Widerrufsrecht dem Arbeitgeber einräumt.

Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Widerrufsklausel scheidet aus. § 306 BGB sieht grundsätzlich nicht vor, unwirksame Klauseln auf einen Regelungsgehalt zurückzuführen, der im Einklang mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt widerspräche dem Zweck der §§ 305 ff. BGB, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die Rechte und Pflichten verschafft werden, die durch den vorformulierten Vertrag begründet werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze des Zulässigen überschreiten dürfte. Könnten überzogene Klauseln geltungserhaltend zurückgeführt werden, liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer.

Da die Arbeitnehmerin den Widerruf allein auf die nicht hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens stützt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Widerrufsklausel hinsichtlich der weiteren angegebenen Widerrufsgründe als zulässig aufrechterhalten werden kann.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht. Eine zu vervollständigende Regelungslücke ist nur anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene Lösung bietet, die den typischen Interessen des Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung trägt. Nicht jede Verschiebung der Gewichte zulasten des Verwenders rechtfertigt jedoch die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Grundsätzlich sind die Gerichte nicht befugt, die unzulässige Klausel mithilfe ergänzender Vertragsauslegung durch eine zulässige Klauselfassung zu ersetzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt hätte, wäre ihm die Unzulässigkeit der Klausel bekannt gewesen. Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 geschlossen worden ist. Auch eine unzumutbare Härte für die Arbeitnehmerin iSv. § 306 Abs. 3 BGB ist nicht ersichtlich, wenn an der Verpflichtung zur Überlassung des Dienstwagens festgehalten wird.


Quelle: LAG Niedersachsen, Urteil vom 28. März 2018 – 13 Sa 304/17

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