• Adresse: Seilfahrt 101, D-44809 Bochum
  • Telefon: +49-234 588 2355
  • eMail: info(at)goormann-varga.eu

Blog

Unzulässige Rechtsausübung des Betriebsrates

Den Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG und § 23 Abs. 3 BetrVG kann in besonders schwerwiegenden und eng begrenzten Ausnahmefällen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG entgegenstehen.

Bei der Arbeitgeberin arbeiten etwa 335 Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten im allgemeinen Pflegebereich, in verschiedenen Funktionsbereichen und im ärztlichen Dienst nach monatlichen Dienstplänen. Den von der Arbeitgeberin vorgelegten Dienstplänen für März 2015 stimmte der Betriebsrat zum Teil zu. Dies teilte er der Arbeitgeberin am 11. Februar 2015 mit. Da aus seiner Sicht bezüglich der anderen Dienstpläne keine Einigungsmöglichkeit zwischen den Beteiligten bestand, bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat, sich mit der Bildung einer Einigungsstelle einverstanden zu erklären. Dies lehnte er ab. Auch weiteren Dienstplänen stimmte der Betriebsrat nur zum Teil zu. Die Arbeitgeberin leitete ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht ein. Nachdem der Betriebsrat die vom Vorsitzenden der Einigungsstelle mehrerevorgeschlagenen Termine abgelehnt hatte, fand eine Sitzung der Einigungsstelle statt. Trotz Auflage durch den Vorsitzenden brachte der Betriebsrat keine auf konkrete Dienstpläne bezogenen Einwände vor. Er sprach ua. die unzureichende Personalbemessung an.  Im Anhörungstermin erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats, dieser werde an der Errichtung der Einigungsstelle nicht mitwirken; die Einigungsstelle sei aufgrund der Komplexität ohnehin außer Stande, ordnungsgemäße Dienstpläne für diesen Monat aufzustellen. In den folgenden Monaten wiederholte sich dieser Sachverhalt weitgehend. Der Betriebsrat stimmte den jeweils von der Arbeitgeberin eingereichten Dienstplänen teilweise nicht zu. Sodann setzte die Arbeitgeberin die Dienstpläne ohne Abstimmung mit dem Betriebsrat um. Daraufhin verklagte der Betriebsrat die Arbeitgeberin wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechtes.

Das BAG wies die Anträge zurück und begründete dies mit rechtsmissbräuchlichem Verhalten des Betriebsrats. Dieses liege vor, wenn sich eine Partei, hier der Betriebsrat, auf eine formale Rechtsposition berufe, die sie durch betriebsverfassungswidriges Verhalten erlangt habe.

Formal sei der Betriebsrat im Recht: Das BAG bekräftigte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, welches bislang nicht vollumfänglich ausgeübt worden sei. Auch bekräftigte das BAG den Anspruch auf Unterlassung gemäß § 87 BetrVG, sofern ein Arbeitgeber Maßnahmen mitbestimmungswidrig umsetze, was im vorliegenden Fall strenggenommen der Fall sei.

Der Betriebsrat hatte aber weder versucht, in einem konstruktiven Dialog mit der Arbeitgeberin Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Dienstpläne zu unterbreiten, noch war er bemüht, mit Hilfe der nach § 87 Abs. 2 BetrVG vorgesehenen Konfliktlösung zu einer Einigung zu gelangen. Vielmehr hatte er jegliche Mitwirkung verweigert.

Die Arbeitgeberin hatte vor der Umsetzung der Dienstpläne in allen Monaten unverzüglich das Erforderliche zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts unternommen. Aufgrund der Blockadehaltung des Betriebsrats bestand für sie keine rechtssichere Möglichkeit, das von ihr nicht in Abrede gestellte Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der Dienstpläne zu wahren.

Schließlich sei auch das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Abweichung von den jeweiligen – einschließlich der mitbestimmungswidrigen – Dienstplänen unbegründet, da die betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsansprüche darauf gerichtet seien, einen betriebsverfassungskonformen Zustand herzustellen und gerade nicht einen betriebsverfassungswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten.

Der Beschluss des BAG konkretisiert den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen, die aus einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG resultieren. Zwar besteht auch bei solchen Arbeitgebern, für welche die Ausübung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine enorme, über das normale Maß hinausgehende Bedeutung hat, weiterhin die Pflicht, selbst bei einer „Blockadehaltung“ des Betriebsrats dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beachten. Kommt der Betriebsrat eine Mitwirkung nach einer einvernehmlichen Regelung nicht (hinreichend) nach, muss er im Einzelfall damit rechnen, dass der Arbeitgeber mitbestimmungswidrige Dienstpläne durchsetzen kann, ohne dass der Betriebsrat eine Unterlassung verlangen könnte. Arbeitgeber sind jedoch darauf hinzuweisen, dass die Annahme einer missbräuchlichen Rechtsausübung durch den Betriebsrat lediglich in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommt.


BAG, Beschluss vom 12.3.2019, 1 ABR 42/17

Schreibe einen Kommentar