• Adresse: Seilfahrt 101, D-44809 Bochum
  • Telefon: +49-234 588 2355
  • eMail: info(at)goormann-varga.eu

Blog

Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in der GmbH & Co. KG

Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

Einer Kommanditgesellschaft kann gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ein Direktanspruchs auf den Ersatz der Schäden zustehen, die ihr aus dessen mittelbarer Geschäftsführung als Geschäftsführer ihrer Komplementärin entstanden sind.

Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet neben der Komplementärin auch der Geschäftsführer der GmbH. Jedenfalls dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, erstreckt sich der Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet in diesem Fall der Kommanditgesellschaft nach denselben Grundsätzen wie sonst der Geschäftsführer der GmbH dieser gegenüber.

Dabei ist unerheblich, ob der Geschäftsführer für seine Geschäftsführertätigkeit eine Vergütung erhielt oder ein Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen wurde. Denn infolge seiner Bestellung zum Geschäftsführer bestand jedenfalls ein Organverhältnis zu der Komplementär-GmbH. Schon die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH entfaltet drittschützende Wirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft.

Auch für den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der zugleich Kommanditist der Kommanditgesellschaft ist, gilt nicht der Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt nach §§ 708, 277 BGB. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe bei einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG, bei der er zugleich Kommanditist ist, nur die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzuhalten (§ 708 BGB). Nach anderer Ansicht hat der Geschäftsführer der Komplementärin zur Vermeidung seiner Haftung gegenüber der Kommanditgesellschaft stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG; Grunewald, GmbHR 2018, 63, 65; Henssler/Strohn/Servatius, GesR, 4. Aufl., Anh. B zum HGB Rn. 157; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 43 Rn. 99; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 433; Bergmann in jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 1.02.2020, § 708 Rn. 33 f.; Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 114 Rn. 39; MünchKommHGB/Grunewald, 4. Aufl., § 161 Rn. 87; Oetker/Oetker, HGB, 6. Aufl., § 164 Rn. 55; Casper in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 61; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., Anh. nach § 177a Rn. 26).

Die letztgenannte Auffassung ist richtig, wie jetzt der Bundesgerichtshof entschied:

Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet die Komplementär-GmbH. Die GmbH bedient sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben in der GmbH & Co. KG ihres Geschäftsführers. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft muss sich im Innenverhältnis zwischen KomplementärGmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet. Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet daneben der Geschäftsführer der GmbH, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft besteht. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet in diesem Fall der Kommanditgesellschaft nach denselben Grundsätzen wie sonst der Geschäftsführer der GmbH dieser gegenüber. Diese Grundsätze schließen den Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG mit ein, der daher bei mittelbarer Wahrnehmung der Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft einheitlich im Verhältnis des Geschäftsführers zur Komplementär-GmbH und zur GmbH & Co. KG gilt.

Dies folgt aus einer die berechtigten und für den Geschäftsführer offensichtlichen Interessen der von der Geschäftsführung betroffenen Gesellschaften berücksichtigenden Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Der Bundesgerichtshof hat zunächst für die Publikums-Kommanditgesellschaft entschieden, dass § 708 BGB die Haftung der Komplementär-GmbH und ihres Geschäftsführers nicht begrenzt. In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dies auf die personalistisch strukturierte GmbH & Co. KG, bei der der Geschäftsführer der GmbH nicht zugleich Gesellschafter der Kommanditgesellschaft war, erstreckt. Der Geschäftsführer habe gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG in den Angelegenheiten der Gesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG, deren Geschäfte er als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH führe, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG zugleich Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist, führt nicht zu einer Verminderung der von ihm anzuwendenden Sorgfalt. Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH bestimmt sich nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft bestimmt sich danach ebenfalls nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Da die GmbH durch ihr Vertretungsorgan handelt, ist der Maßstab für das Verschulden des Geschäftsführers, für den sie nach § 31 BGB gegenüber der Kommanditgesellschaft einzustehen hat und der Maßstab für ihr Verschulden bei der Haftung gegenüber der Kommanditgesellschaft einheitlich zu bemessen. Auch bei Berücksichtigung von § 708 BGB ist der Maßstab für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten der Komplementär-GmbH, die nur durch ihr Vertretungsorgan handeln kann, in jedem Fall durch den für ihre Geschäftsführung maßgeblichen § 43 GmbHG bestimmt und für sie die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auch die nach § 708 BGB geltende Richtschnur.

Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft bestimmt sich ebenfalls nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Ein einheitlicher Haftungsmaßstab für die Haftung des Geschäftsführers der Komplementärin gegenüber dieser und gegenüber der Kommanditgesellschaft entspricht der für den Geschäftsführer ohne weiteres erkennbaren Interessenlage der beteiligten Gesellschaften. Das wohlverstandene Interesse der Komplementär-GmbH, der gegenüber der Geschäftsführer nach dem Maßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG haftet, geht dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der Kommanditgesellschaft im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt, weil sie auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein muss und als persönlich haftende Gesellschafterin selbst aus dem Gesellschaftsverhältnis der Kommanditgesellschaft zu einer sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet ist. Die Komplementär-GmbH muss darauf vertrauen dürfen, dass ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen. Eine Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers geht, soweit es die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft betrifft, aber vor allem zu deren Lasten. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH angewiesen; sie haben jedoch regelmäßig keine Befugnisse, um unmittelbar auf ihn einzuwirken. Eine Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH ihr gegenüber nach einem geringeren Maßstab als gegenüber der Komplementärin ist daher nicht gerechtfertigt.

Die dargelegte Interessenlage ist unabhängig davon, ob es sich um eine personalistisch strukturierte Gesellschaft handelt oder nicht und ob der Geschäftsführer zudem Kommanditist ist oder nicht. Dass er sich im letztgenannten Fall bei einer Pflichtverletzung zugleich selbst schädigt, rechtfertigt es nicht, ihn zu Lasten seiner Mitgesellschafter nur dann haften zu lassen, wenn er die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verletzt. Es wäre wenig einsichtig, bei der Organhaftung eines Geschäftsführers einer GmbH danach zu differenzieren, ob dieser auch Kommanditist ist oder nicht, zumal er als Kommanditist gar nicht geschäftsführungsbefugt wäre. Auch kann kaum davon ausgegangen werden, dass es dem Willen der GmbH-Gesellschafter entspricht, mit der Wahl eines Kommanditisten zum Geschäftsführer zugleich ein geringeres Schutzniveau für die Kommanditgesellschaft und damit mittelbar auch für die GmbH als ihrem Komplementär festzulegen.

Quelle: BGH, Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19