• Adresse: Seilfahrt 101, D-44809 Bochum
  • Telefon: +49-234 588 2355
  • eMail: info(at)goormann-varga.eu

Blog

Ordentliche Kündigung eines Geschäftsführers

Die gegenüber ihrem Geschäftsführer erklärte Kündigung einer GmbH bedarf gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht der sozialen Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger war seit April 1996 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als „Executive Director“ auf der Grundlage eines Vertrags vom 26. November 2012. Er war seit Januar 2011 zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Die Beklagte betreibt Unternehmensberatung und beschäftigt in Deutschland etwa 3.000 Arbeitnehmer. Sie hatte neben dem Kläger 98 weitere Geschäftsführer bestellt. Diese waren, abhängig von ihrem konkreten Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich, einem „Career Level“ von 3 bis 1 zugeordnet, der Kläger dem Level 3. Die Beklagte hat in einer Unterzeichnungsrichtlinie näher bestimmt, welche Vertretungsbefugnisse im Innenverhältnis mit der Position eines Geschäftsführers verbunden sind. Der Kläger bezog zuletzt Vergütung in Höhe von etwa 370.000,00 Euro brutto jährlich. Anlässlich seiner Beförderung auf Level 3 hatte er zum 1. Dezember 2010 Aktienrechte im Wert von 525.000,00 US-Dollar erhalten, über die er nach einem Zuteilungsplan verfügen konnte. Danach sollten in den ersten vier Jahren jeweils 3 vH, im fünften Jahr 73 vH und im sechsten und siebten Jahr jeweils 7,5 vH der Aktienrechte zugeteilt und damit unverfallbar werden. Die Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. Februar 2014 zum 31. August 2014. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt und geltend gemacht, sie sei sozial ungerechtfertigt. Er sei auch nach seiner lediglich formalen Bestellung zum Geschäftsführer weiter als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Das Kündigungsschutzgesetz finde jedenfalls nach den Grundsätzen des individuellen und institutionellen Rechtsmissbrauchs Anwendung.

§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält eine negative Fiktion. Danach gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht. Das war hier der Fall. Der Geschäftsführer war im Zeitpunkt der Kündigung zum Geschäftsführer der GmbH, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), bestellt und damit zu deren gesetzlicher Vertretung berufen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Rechtsmängel bei der Bestellung sind weder behauptet noch objektiv ersichtlich.

Für die Beurteilung der Kündigung ist es unerheblich, dass der Geschäftsführer sein Amt nach deren Zugang niedergelegt hat.

Umstände, die objektiv erst nach Zugang der Kündigung eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung ihrer Wirksamkeit ausnahmsweise dann von Bedeutung sein, wenn sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Daran fehlt es bezogen auf die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG im Falle der nachträglichen Abberufung oder Amtsniederlegung. Ein späterer Wegfall der Organstellung ändert nichts daran, dass dieser gesellschaftsrechtliche Status im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestanden hat.

Aus der Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 KSchG lässt sich nichts anderes ableiten. Obwohl es für die Bestimmung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs ankommt, sind für die maßgebliche Anzahl der “in der Regel” Beschäftigten iSd. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entscheidend.

Der Umstand, dass für die Rechtswegzuständigkeit – und damit auch für das Eingreifen der negativen Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG – alle bis zur letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz eintretenden Umstände, welche eine zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, zu berücksichtigen sind, wenn nicht zuvor ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss ergangen ist, ist auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht übertragbar. Die Eröffnung des Rechtswegs aufgrund von bis zur letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu berücksichtigenden Umständen dient vor allem der Prozessökonomie und soll vermeiden, dass ein Rechtsstreit in einen anderen Rechtsweg verwiesen wird, selbst wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet ist. Solche verfahrensökonomischen Erwägungen sind für die rechtliche Beurteilung, ob nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzrechts für eine zu einem früheren Zeitpunkt erklärte Kündigung ausgeschlossen ist, ohne Bedeutung.

Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 KSchG auch dann eingreift, wenn die Organstellung bereits vor Zugang der Kündigung geendet hat. Nach dem Gesetzeswortlaut erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich die Fiktion uneingeschränkt auf dasjenige Anstellungsverhältnis bezieht, das schuldrechtliche Grundlage für die Organstellung ist oder ggf. auch war, solange es um die Kündigung allein dieses Vertragsverhältnisses geht. Darauf wäre es dann ggf. ohne Einfluss, wenn das Organmitglied sein Amt selbst durch Niederlegung aufgegeben hat oder wenn ihm die Kündigung des zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses erst nach dem Widerruf seiner Bestellung durch die Gesellschaft zugeht.

Die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG kommt auch und gerade dann zum Tragen, wenn das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre. Es kann daher offenbleiben, ob es sich bei dem der Organstellung des Geschäftsführers zugrunde liegenden Vertragsverhältnis in der Sache um ein Arbeitsverhältnis handelte.

Anderenfalls wäre § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bedeutungslos. Der Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen gilt nach § 1 Abs. 1 KSchG ohnehin nur für Arbeitnehmer. Insofern hat § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG lediglich klarstellende Bedeutung. Der Gesetzgeber hat den Ausschlusstatbestand jedoch darüber hinaus als negative Fiktion gefasst. Die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bezeichneten Organvertreter sollen ohne Rücksicht darauf, ob angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis angesehen werden muss, allein aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen sein.

Ein anderes Verständnis ist nicht deshalb geboten, weil im Anwendungsbereich der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG oder der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG auch Organmitglieder als Arbeitnehmer anzusehen sein können. Dies betrifft nicht ihre Ausnahme vom allgemeinen Kündigungsschutz nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Der im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes geregelte Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts.

Etwas anderes folgt nicht aus Art. 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta). Die Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte finden zwar in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, nicht aber außerhalb derselben Anwendung. Sie sind im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unanwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den im Ausgangsverfahren zu beurteilenden Sachverhaltschaffen. Eine nationale Maßnahme betrifft die Durchführung des Rechts der Union iSv. Art. 51 Abs. 1 der Charta, wenn mit ihr die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird oder wenn es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für den fraglichen Bereich spezifisch ist bzw. ihn beeinflussen kann.

Die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes dienen nicht der – auch nicht der überschießenden – Durchführung von Unionsrecht. Es besteht keine unionsrechtliche Regelung, die den Bereich des allgemeinen Schutzes vor der Beendigung von Arbeitsverhältnissen außerhalb der durch Richtlinien geregelten Bereiche wie Massenentlassung, Betriebsübergang (Richtlinie 2001/23/EG), Mutterschutz oder Schutz vor Diskriminierung iSd. Richtlinie 2000/78/EG zum Gegenstand hat.

Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Union kann eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt.

An seiner Stellung als Organmitglied iSd. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ändert es nichts, wenn der Geschäftsführer einer GmbH durch arbeits- oder gesellschaftsrechtliche Weisungen Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis iSd. § 37 Abs. 1 GmbHG unterworfen ist. Solche Beschränkungen im Innenverhältnis sind gem. § 37 Abs. 2 GmbHG für die gesetzliche Vertretung im Außenverhältnis ohne rechtliche Wirkung.

Die Organstellung des Geschäftsführers einer GmbH, der im Innenverhältnis Beschränkungen iSd. § 37 Abs. 1 GmbHG unterliegt, erschöpft sich entgegen der Auffassung des Geschäftsführers nicht in einer “rein formalen” Außenvertretungsbefugnis. Die gesetzliche Vertretungsmacht nach außen ist vielmehr gem. § 37 Abs. 2 GmbHG nicht beschränkbar. Die GmbH hat gegenüber Dritten selbst dann für sein Handeln einzustehen, wenn der Geschäftsführer gegen die internen Beschränkungen verstößt. Dem trägt die in § 38 Abs. 1 GmbHG geregelte Möglichkeit der Gesellschaft Rechnung, die Bestellung zum Geschäftsführer – vorbehaltlich etwaiger Entschädigungsansprüche (§ 38 Abs. 1 Halbs. 2 GmbHG), zumindest für die Zukunft jederzeit zu widerrufen. Dies gewährleistet der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung eine weitgehende Organisationsfreiheit.

Unerheblich ist, ob die internen Beschränkungen der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers im Verhältnis zur GmbH gegen das gesetzliche Leitbild der §§ 3537 GmbHG verstießen. Sind Weisungen der Gesellschaft oder vertraglich vereinbarte Einschränkungen der Vertretungsbefugnis unzulässig, ist der Geschäftsführer ggf. nicht verpflichtet, sie zu beachten. Seine Organstellung würde dadurch nicht berührt. Die Gesellschaft könnte anderenfalls durch unzulässige Weisungen seine Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis im Widerspruch zu § 35 Abs. 1§ 37 Abs. 2 GmbHG beschränken.

Desweiteren folgt nicht schon aus der Überschrift des § 14 KSchG, dass Organvertreter iSd. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch eine leitende Stellung im Innenverhältnis haben müssten. “Angestellte in leitender Stellung” iSd. § 14 KSchG sind vielmehr alle Angehörigen der in Abs. 1 und Abs. 2 der Regelung näher bestimmten Personengruppen. Geschäftsführer einer GmbH fallen aufgrund ihrer Organstellung unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Geschäftsführer iSd. § 14 Abs. 2 KSchG sind Arbeitnehmer, die Leitungsfunktionen im Unternehmen wahrnehmen, jedoch nicht zur gesetzlichen Vertretung iSd. § 14 Abs. 1 KSchG berufen sind.

Der Ausschluss der Organvertreter vom allgemeinen Kündigungsschutz gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ohne Rücksicht auf eine etwaige Arbeitnehmerstellung verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an einer Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken. Er übt damit regelmäßig seine Berufsfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus, die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist. Dabei sind auch inländische juristische Personen Träger des Grundrechts nach Art. 12 Abs. 1 GG iVm. Art.19 Abs. 3 GG. Dem Gesetzgeber, der diese Interessen zu einem gerechten Ausgleich bringen will, ist ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann. Dies ist mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht der Fall.

Das Interesse juristischer Personen, die Anstellungsverträge von Organmitgliedern, die bereits abberufen sind oder abberufen werden sollen, ohne das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG beenden zu können, ist schutzwürdig. Die Organmitgliedschaft setzt ein besonderes Vertrauen von Seiten der Gesellschaft voraus. Das gilt namentlich dann, wenn ein Organvertreter im Außenverhältnis nach § 35 Abs. 1§ 37 Abs. 2 GmbHG mit so weitreichenden und unbeschränkbaren Befugnissen ausgestattet ist wie ein GmbH-Geschäftsführer. Fehlt aber das für eine Beibehaltung der Organstellung notwendige Vertrauen, entfällt regelmäßig auch die Basis für eine Fortsetzung des zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses. Da dieses von dem gesellschaftsrechtlichen Organschaftsverhältnis zu trennen ist, endet die Vertragsbeziehung nicht automatisch mit der Abberufung. Die Herausnahme der Organvertreter aus dem allgemeinen Kündigungsschutz gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ermöglicht es der Gesellschaft, auch den der Organstellung zugrunde liegenden Anstellungsvertrag, selbst wenn es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis handelt, ohne das Erfordernis der sozialen Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG zu kündigen.

Die Herausnahme aus dem allgemeinen Kündigungsschutz stellt die Arbeitnehmer-Geschäftsführer andererseits nicht gänzlich schutzlos. Sie sind durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit gewährleistet. Der Ausschluss des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes berührt auch nicht die an anderer Stelle, wie zB in § 612a BGB, vorgesehenen Kündigungsbeschränkungen. Das gilt insbesondere in Bereichen, die durch Unionsrecht geregelt sind, wie etwa gem. § 17 KSchG§ 9 MuSchG§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB oder § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 134 BGB.

Die unterschiedliche Behandlung von leitenden Angestellten und Mitgliedern gesetzlicher Vertretungsorgane in § 14 KSchG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Der Sachgrund für die Herausnahme der Organvertreter aus dem allgemeinen Kündigungsschutz liegt in der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nichtleitenden Arbeitnehmern. Dem stehen die nach § 38 Abs. 2 GmbHG eröffnete Möglichkeit, das Recht der jederzeitigen Abberufung bis zur Grenze wichtiger Gründe durch Gesellschaftsvertrag einzuschränken, sowie die Zulässigkeit einer Vereinbarung über die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes im Geschäftsführeranstellungsverhältnis nicht entgegen. Die Eröffnung vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten ist nicht gleichbedeutend mit unabdingbaren gesetzlichen Schutzvorschriften.

Die GmbH beruft sich nicht treuwidrig (§ 242 BGB) auf die Organstellung des Geschäftsführers im Zeitpunkt der Kündigung. Seine Bestellung zum Geschäftsführer war weder individuell noch institutionell rechtsmissbräuchlich.

Es ist mit Treu und Glauben iSv. § 242 BGB nicht vereinbar, eine unredlich erworbene Rechtsposition oder eine formale Rechtsposition im Widerspruch zu den zugrunde liegenden vertraglichen Beziehungen auszunutzen((Jauernig/Mansel BGB 16. Aufl. § 242 Rn. 42, 45 aE)). Eine Bestellung zum Geschäftsführer kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie allein mit dem Ziel erfolgt, diesen alsbald entlassen zu können.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer nur deshalb zum Geschäftsführer bestellt worden sei, um ihn vom allgemeinen Kündigungsschutz auszuschließen. Es ist weder ein zeitlicher noch ein sachlicher Zusammenhang der Bestellung am 18.01.2011 mit der Kündigung vom 25.02.2014 zu erkennen. Gegen eine Treuwidrigkeit der Bestellung spricht auch, dass sich mit ihr die übrigen Anstellungsbedingungen deutlich geändert hatten. So war die Beförderung auf Level 3 mit einer erheblichen Steigerung seiner Vergütung nebst Einräumung von Aktienrechten verbunden. Mit der Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrags waren dem Geschäftsführer nach der sog. Signing Policy auch weiter gehende Zeichnungsberechtigungen als in seiner bisherigen Position als Generalbevollmächtigter eingeräumt.

Der Umstand, dass die GmbH den Geschäftsführer nicht bereits mit Erklärung der Kündigung als Geschäftsführer abberufen hat, ist kein Indiz für eine ursprünglich rechtsmissbräuchliche Bestellung.

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der GmbH ergibt sich nicht daraus, dass sie Rahmenbedingungen geschaffen hätte, aufgrund derer der Geschäftsführer keine andere Wahl gehabt hätte, als seiner Bestellung zum Geschäftsführer zuzustimmen. Eine GmbH hat es nicht etwa allein in der Hand, einen Arbeitnehmer gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG vom allgemeinen Kündigungsschutz auszuschließen, indem sie ihn zum Geschäftsführer bestellt. Eine wirksame Bestellung gem. § 46 Nr. 5 GmbHG bedarf der Annahme durch den Bestellten. Die organschaftlichen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers können daher nicht ohne sein Einverständnis begründet werden.

Im hier entschiedenen Fall verneinte das Bundesarbeitsgericht auch das Vorliegen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs durch die GmbH als Arbeitgeberin:

Institutioneller Rechtsmissbrauch ist gegeben, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise entgegen dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen. In diesem Fall ist eine Einschränkung der sich aus dem Rechtsinstitut oder der Rechtsnorm scheinbar ergebenden Rechtsfolgen geboten, wenn sie anderenfalls zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, untragbaren Ergebnis führen würden.

Danach sind keine Umstände festgestellt, die die Annahme rechtfertigten, die GmbH habe sich entgegen dem Sinn und Zweck der Bestellung eines Geschäftsführers dieses Rechtsinstituts nur bedient, um sich in mit Treu und Glauben unvereinbarer Weise zum Nachteil des Geschäftsführers Vorteile zu verschaffen.

Die Praxis der GmbH, Beschäftigte ab einer bestimmten Führungsebene zu Geschäftsführern mit im Innenverhältnis beschränkten Befugnissen zu bestellen, ist nicht objektiv funktionswidrig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts resultiert die hohe Anzahl von Geschäftsführern bei der GmbH aus ihrer früheren partnerschaftlichen Organisation, deren Struktur in die Rechtsform einer GmbH übertragen worden sei. Bei einer Beschäftigtenzahl von etwa 3.000 Mitarbeitern sei auch keine Situation gegeben, in der das gesetzlich angelegte System der Geschäftsführung gem. §§ 35 ff. GmbHG durch die hohe Anzahl von Geschäftsführern mit im Innenverhältnis gestuften Befugnissen konterkariert wäre. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Geschäftsführer insoweit nicht erhoben. Auch die Anzahl von 247 Geschäftsführerbestellungen innerhalb von elf Jahren ist demnach noch kein Hinweis auf Rechtsmissbrauch. Das Gesetz selbst sieht in § 35 Abs. 2 GmbHG eine Mehrzahl von Geschäftsführern vor. Es schließt auch ein Hierarchieverhältnis bezüglich der internen Befugnisse der Geschäftsführer nicht aus.

Auch ist es unerheblich, dass die historische Entwicklung der GmbH keinen zwingenden Grund für die Bestellung einer hohen Anzahl von Geschäftsführern darstelle und die Vermittlung einer hohen Wertigkeit im Verhältnis zum Kunden auch anders und möglicherweise besser erreichbar sei. Auf welche Weise eine Gesellschaft die besondere Verantwortlichkeit ihrer Mitarbeiter gegenüber Kunden zum Ausdruck bringt, ist grundsätzlich Teil ihrer unternehmerischen Organisationsfreiheit, die nur auf offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür gerichtlich überprüfbar ist. Für solche Umstände gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

Allein der Hinweis des Geschäftsführers auf eine durchschnittliche Verweildauer der Geschäftsführer der GmbH von nur knapp vier Jahren ist ebenfalls nicht geeignet, eine institutionell rechtsmissbräuchliche Bestellungspraxis der GmbH zu belegen, da die Durchschnittsbetrachtung weder die Gründe noch den jeweils konkreten Zeitpunkt des Ausscheidens erkennen lässt.


Quelle: BAG, Urteil vom 21. September 2017 – 2 AZR 865/16

Schreibe einen Kommentar